International
Deutsche Konzerne profitieren vom Erdgas-Poker Russlands
09.01.09 - Nachdem in der Nacht von Montag auf Dienstag Russlands Staatskonzern Gasprom die Lieferungen in Richtung Westen um 65,3 Millionen Kubikmeter Gas reduziert hatte, liefert er seit der Nacht zum Mittwoch gar kein Gas mehr an das Nachbarland. Da 80 Prozent des russischen Gases für die Europäische Gemeinschaft durch die Ukraine fließen, hat das weitreichende Auswirkungen besonders auf die osteuropäischen Länder.
Zehntausende Serben wachten am Mittwochmorgen in kalten Wohnungen auf. Die Zufuhr russischen Erdgases ist auch nach Rumänien und Tschechien vollkommen versiegt. In Bulgarien wurden Sparmaßnahmen angekündigt. Die slowakische Regierung rief den Notstand aus. Auch Österreich erhält seit Mittwoch überhaupt kein russisches Gas mehr über die ukrainischen Pipelines, die Regierung plant eine Notverordnung. In Deutschland kommt nur noch ein Fünftel des russisches Erdgases an, das über die Jamal-Pipeline, die durch Weißrussland und Polen verläuft, transportiert wird.
Schon Anfang 2006 hatte die ukrainische Regierung die Forderung Russlands nach einer Verfünffachung der Erdgaslieferpreise zurückgewiesen. Damals sollten die Preise von 50 Dollar pro 1.000 Kubikmeter Erdgas auf 230 Dollar steigen. Bis dahin bezog die Ukraine wie andere von Russland abhängige Länder das Erdgas zum billigeren Vorzugspreis. Die Ukraine musste schließlich einwilligen, 179 Dollar zu zahlen. Vor kurzem forderte Russland nun 250 Dollar. Nachdem die Ukraine sich unter bestimmten Bedingungen zur Annahme eines Preises von 235 Dollar bereit erklärt, schraubte Russland die Forderung auf 450 Dollar hoch.
Die russische Regierung rechtfertigt sich damit, dass es ihr lediglich darum ginge, die "üblichen" Weltmarktpreise durchzusetzen. Bei diesen Weltmarktpreisen handelt es sich aber um Monopolpreise, die von den weltmarktbeherrschenden internationalen Rohstoffkonzernen diktiert und ständig weiter hoch getrieben werden. Sie garantieren ihnen Maximalprofite auf Kosten der Masse der Verbraucher in den Bezieherländern. Dies soll nun auch gegenüber Nachbarländern Russlands wie der Ukraine durchgesetzt werden, denen früher aus politischen Gründen Zugeständnisse gemacht wurden.
Seit dem Beginn der Präsidentschaft Viktor Juschtschenkos 2004 ging die Ukraine mehr und mehr auf Distanz zur Vormacht Russland, während der Einfluss der europäischen und US-Monopole dort wuchs. Weißrussland dagegen hatte 2005 alle seine Pipelines an den russischen Gasprom-Konzern abgetreten und erhält deshalb russisches Erdgas nach wie vor zu wesentlich niedrigeren Preisen.
In Deutschland profitieren Energiekonzerne wie E.on Ruhrgas und Wingas durch ihre Verflechtung mit Gasprom kräftig von den räuberischen Monopolpreisen. Sie haben die Gaspreise für Privatkunden innerhalb der letzten acht Jahre mehr als verdoppelt, allein im letzten Jahr sind sie um mehr als 20 Prozent im Durchschnitt gestiegen. E.on Ruhrgas ist am führenden russischen Konzern Gasprom direkt beteiligt, Wingas ist ein gemeinsames Unternehmen von Gasprom und der BASF-Tochter Wintershall.
Der ehemalige Bundeskanzler Schröder ist heute Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens Nordstream, das den Bau einer Ostseepipeline für russisches Gas betreibt. Dieses Vorhaben erhält durch den Lieferengpass jetzt einen kräftigen Schub. Bei Nordstream hält Gasprom 51 Prozent der Aktien, die Wintershall AG, und die E.ON Ruhrgas sind mit jeweils 20 Prozent beteiligt.
Mit der jetzt getroffenen Einigung zwischen EU, Russland und Ukraine, Beobachter aus der europäischen Gaswirtschaft an die Grenzübergänge der Ukraine zu entsenden, um die Menge transportierten russischen Gases zu prüfen, wollen die EU-Imperialisten vor allem ihren Einfluss in dieser Region ausbauen. Um ihre relativ starke Rohstoff-Abhängigkeit von Russland zu verringern, drängen sie russische Regierung auch dazu, die europäische Energiecharta zu ratifizieren. Das würde unter anderem die Öffnung der Erdgaspipelines in Russland für die Durchleitung von Gas aus Turkmenistan und Kasachstan bedeuten.
Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zeigt, wie sich vor dem Hintergrund der begonnenen Weltwirtschaftskrise der Konkurrenzkampf zwischen den imperialistischen Mächten und anderen kapitalistischen Ländern auch in Europa verschärft. Es ist notwendig, länderübergreifend der damit verbundenen wachsenden Kriegsgefahr entgegen zu treten genauso wie den Folgen der Erpressungspolitik und Preistreiberei der europäischen Energiekonzerne.