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Generalstreik und landesweiter Aktionstag in Frankreich: Wut auf den Kapitalismus, Wut auf die Regierung!

Generalstreik und landesweiter Aktionstag in Frankreich: Wut auf den Kapitalismus, Wut auf die Regierung!

29.01.09 - Mehr als eine Million Beschäftigte aus Industriebetrieben und dem öffentlichen Dienst, Angestellte von Krankenhäusern, Elektrizitätswerken und der Post, Schüler und Lehrer, Beschäftigte der TV- und Radiosender, haben sich nach Angaben der Gewerkschaft CGT allein bis heute Mittag in Frankreich an dem landesweiten Generalstreik und Aktionstag gegen die Abwälzung der Krisenlasten durch Konzerne und Regierung beteiligt. Die meisten der rund 200 Kundgebungen im ganzen Land waren erst für heute Nachmittag angekündigt.

Mit landesweiten Streiks im Bahnverkehr hatte der Protesttag begonnen. Auch der Flugverkehr konnte nur eingeschränkt aufrecht erhalten werden. Studenten und Schüler beteiligten sich an den Massendemonstrationen mit Transparenten, auf denen stand: "Wir weigern uns, Kinder der Finanzkrise zu sein!" Auffallend dieses Mal vor allem die hohe Beteiligung von Belegschaften aus den Industriebetrieben. Alle acht Gewerkschaften in Frankreich hatten dazu aufgerufen.

Der politische Streik in Frankreich ist ein neuer Höhepunkt der zunehmenden europaweiten Proteste gegen die Abwälzung der Krisenlasten, an denen seit Anfang Oktober bereits rund 5 Millionen Menschen in zahlreichen Ländern teilnahmen. Er richtet sich gegen zunehmende Entlassungen, Lohnabbau und vor allem gegen die Krisenprogramme der Regierung unter Staatspräsident Nikolas Sarkozy. Während Sarkozy die Banken und die Automobilindustrie mit über 400 Milliarden Euro stützt, muss die Masse der Beschäftigten massive Einkommensverluste hinnehmen.

Von Anfang November bis Mitte Januar ist die Zahl der Arbeitslosen um fast 100.000 gestiegen – das ist der höchste Anstieg in so kurzer Zeit seit dem II. Weltkrieg. Besonders betroffen sind die Jugendlichen. Die Regierung will in diesem Jahr weitere 30.000 Arbeitsplätze allein im öffentlichen Dienst streichen. Es gibt kaum eine Firma, die nicht Entlassungen ankündigt. Ein Arbeiter von Renault erklärt: "Es sind die Arbeiter, die leiden, nicht die Automobilindustrie. Wir haben Hunger, wir wollen unsere Familien ordentlich ernähren, und da gehen wir jetzt ran."

Aus Paris berichtet eine Korrespondentin: "70 Prozent der Bevölkerung stehen hinter dem heutigen Generalstreik. Der Streik geht weit über einzelne Tagesforderungen hinaus und der Protest umfasst auch bürgerliche Kreise wie Universitätsprofessoren, Richter usw. Die ganzen immer unerträglicheren Lebensbedingungen im Kapitalismus, die ganze Regierungspolitik stehen am Pranger.

Da ist die Arbeiterin, deren Werk nach vielen Entlassungen nun vom endgültigen Aus bedroht ist und die nach 25 Jahren Arbeit noch immer nur den Mindestlohn von 1000 Euro netto verdient. Mit dabei sind die Lehrer und Schüler, die die rapide Verschlechterung der Lernbedingungen in der Schule erlebe und eine gründliche Erziehung fordern. Krankenhaus-Beschäftigte klagen an, dass sie unter bedrohlichem Stress stehen und nur noch zu einer Notversorgung in der Lage sind. Nicht zuletzt werden Bespitzelung, Kriminalisierung und immer mehr Repression angeprangert.

Der Kapitalismus mit seiner Profitgier rückt mehr und mehr ins Visier. Viele spüren, dass sich grundsätzlich etwas ändern muss. Milliarden für die Banken, die in der Spekulation Unsummen verspielt haben - und kein Geld für die brennenden Bedürfnisse der Menschen? Lohnabbau und Entlassungen durch dieselben Kapitalisten, die Riesenprofite gemacht haben? Das wird immer weniger akzeptiert und grundlegend infrage gestellt! 'Wir zahlen nicht für ihre Krise', ist eine weit verbreitete Haltung.

Ein besonderer Stein des Anstoßes ist Sarkozy, der vor einem Jahr verkündete: 'Wenn in Frankreich Streik ist, merkt es künftig keiner mehr.' Dazu hatte er das Streikrecht eingeschränkt und Streikende, z.B. in den Schulen, zu einem 'Minimaldienst' verdonnert. Den heutigen Tag wird er sich wohl im Kalender anstreichen. Der 'Minimaldienst' wird vielerorts listig umgangen und im Land läuft nichts mehr. Sarkozy stößt, wo er auch hinkommt, auf Proteste. Seine neueste Erkenntnis ist, dass Frankreich 'nicht einfach zu regieren sei'!

Viele Menschen suchen eine radikale Opposition, die wirklich von den Interessen der breiten Bevölkerung ausgeht. Manche erwarten sie von den Gewerkschaften und sind enttäuscht, wenn sich deren Führung nach einigen Protesten doch wieder brav an den Verhandlungstisch setzt und so manche der 'Reformen' auch noch mit unterschreibt. Wer eine radikale Änderung will, muss dem Übel an die Wurzel gehen und für die Beseitigung des Kapitalismus eintreten.

Dafür tritt in Frankreich die Kommunistische marxistisch-leninistische Organisation/Proletarischer Weg (OCML/Voie prolétarienne) ein. Sie ruft dazu auf: 'Wir, die Massen, müssen über unser Leben bestimmen können. Und dazu müssen wir über die Produktion bestimmen. Wir werden erst dann die Herren über die Produktion sein, wenn wir die politische Macht haben. Wir müssen sie den Ausbeutern entreissen und uns dazu organisieren ...'"