Politik
Atomlager ASSE II: "Ein schwer einsturzgefährdetes Haus"
15.02.09 - Am Freitag hat der Bundesrat einer Änderung des Atomgesetzes zugestimmt, die am 30. Januar im Bundestag beschlossen worden war. Mit der Änderung des Gesetzes wurde ASSE II zum Atommüll-Endlager erklärt. Bisher war ASSE II rechtlich ein "Forschungsbergwerk", das – wenn kein Forschungsbedarf mehr da wäre – geräumt und konventionell geschlossen werden müsste. Mit der rechtlichen Änderung kann der Atommüll im Bergwerk verbleiben, ohne dass erstmal die Eignung von ASSE II als Endlager nachgewiesen werden müsste.
"Die Beweislast wird quasi umgedreht", schreibt die Initiative AG Schacht Konrad, "jetzt müssen Anwohnerinnen und Betroffene nachweisen, dass es sicherer ist, das Endlager wieder aufzulösen (und den Atommüll herauszuholen), als den Müll einfach im Wasser liegen zu lassen".
Daher also die gesetzgeberische Eile - denn Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat am Freitag erklärt, dass er nicht garantieren könne, dass das einsturzgefährdete Bergwerk nach optimalen Sicherheitsstandards geschlossen werden könne, eine Flutung des Bergwerks als Notmaßnahme stehe weiter auf der Tagesordnung. Das ist sicher die "einfachste" und "billigste" Lösung – und kann sich katastrophal auf die Vergiftung der Umwelt auswirken.
Die Schachtanlage ASSE II ist ein ehemaliges Salzbergwerk bei Wolfenbüttel, hier wurde von 1965 bis 1995 die Endlagerung radioaktiver Abfälle in Salzformationen erforscht. Inzwischen lagern 89.000 Tonnen radioaktiven Mülls in den Stollen. ASSE II ist ein Beispiel dafür, mit welch verheerender Verantwortungslosigkeit Regierende hier mit der Atomtechnik umgehen. Bis Ende 2008 wurde ASSE vom bundeseigenen Helmholtz-Zentrum in München betrieben.
Nachdem jahrzehntelange Schlampereien und Vertuschung – vor allem durch den Druck aktiver Umweltschützer, von Bürgerinitiativen und von ehemaligen Beschäftigten - immer mehr ans Tageslicht kamen, hat zum Jahresbeginn das Bundesamt für Strahlenschutz die Verantwortung übernommen. Bis 1978 wurden 126.000 Fässer mit radioaktivem Müll in die Stollen verbracht, seit 1988 ist nachgewiesen, dass Lauge zufließt. Im April 2008 gibt das Helmholtz-Zentrum zu, dass die Laugenzuflüsse mit Cäsium 137 belastet seien, das sei die Folge eines "kleinen" Unfalls vor 35 Jahren und im Rahmen der Umweltradioaktivität.
Bereits im Juni wird aber bekannt, dass der Cäsium-Grenzwert um das achtfache überschritten ist und Strontium und Plutonium in der Lauge gefunden wurde. Im Juli wird bekannt, dass wesentlich stärker strahlende Abfälle eingelagert wurden als bisher angegeben. Im August erfährt die Öffentlichkeit: Von 2005 bis 2008 verbrachte das Helmholtz-Zentrum bereits über 20.000 Kubikmeter radioaktiv verseuchte Lauge in andere Schachtanlagen. Man kann davon ausgehen, dass ohne die jahrelange, intensive Arbeit von Bürgerinitiativen usw. der Mantel des Schweigens weiterhin über diese Umweltkatastrophe gelegt worden wäre.
"Eines der größten Umweltprobleme der Bundesrepublik" nennt der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, ASSE II. Bei der Übernahme vom Helmholtz-Zentrum habe man "ein Haus vorgefunden, das schwer einsturzgefährdet und feucht ist". Um so dringender muss der Zustand von ASSE vollständig untersucht und aufgedeckt werden – die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden! Keine Flutung der verseuchten Stollen! Alle Atomkraftwerke müssen sofort stillgelegt werden, denn heute gibt es keine "sichere" Lagerung des Atommülls!