Politik
Kölner U-Bahn-Katastrophe: Verheerende Folge der Deregulierungspolitik
22.03.09 - Die führenden Kölner Kommunalpolitiker weisen genauso wie die Baukonzerne jede Verantwortung für die Katastrophe vom 3. März ("rf-news" berichtete) weit von sich, bei der das historische Stadtarchiv in eine Baugrube der Nord-Süd-U-Bahn stürzte und dabei zwei junge Menschen mit in den Tod riss. Immer neue Enthüllungen machen jedoch deutlich, dass sie vor allem eine Folge der Privatisierungs- und Deregulierungspolitik ist, die kommunale Aufträge zur Profitquelle internationaler Konzerne und die bürgerlichen Politiker und Behörden zu deren Dienstleistern macht. Der sprichwörtliche Kölner "Klüngel" ist in dieser Hinsicht schon längst keine Ausnahme mehr.
So wurden laut der nordrhein-westfälischen Ingenieurkammer Bau die Aufträge für Prüfingenieure "nur nach dem Zuschlagskriterium niedrigster Preis" vergeben. Der niedrigste Bieter habe den Auftrag erhalten und auch die Baustelle Waidmarkt vor dem Stadtarchiv geprüft. Die besorgniserregenden Messergebnisse hat die private Firma nach Aussagen der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) trotz mehrfacher Aufforderung erst am 3. Februar 2009 abgeliefert, nachdem tags zuvor ein KVB-eigener Prüfer tätig geworden war.
Ursprünglich war dort auch ein anderes Bauverfahren geplant. Der problematische Boden sollte zunächst mit Zement-Injektionen stabilisiert und wasserundurchlässig gemacht werden. Das wurde nach Intervention der verantwortlichen Baufirmen - für den südlichen Abschnitt die Konzerne Bilfinger Berger, Wayss & Freytag sowie Züblin - geändert. Ihr "Nebenangebot" für ein alternatives Verfahren, das angeblich genauso sicher, aber "preiswerter" war, setzte sich durch.
Danach wurden seitliche Schlitzwände angebracht und das nachfließende Grundwasser abgepumpt. Der Kölner Bauingenieur Stefan Polonyi sieht im ständigen Abpumpen von Grundwasser den Hauptgrund dafür, dass "der Boden seine Tragfähigkeit eingebüßt" habe. Obwohl an der Stelle nur vier Brunnen und eine Pumpleistung von 450 Kubikmeter pro Stunde erlaubt waren, ließen die Baufirmen 15 Brunnen mit einer Pumpleistung von zuletzt 750 Kubikmeter pro Stunde bauen. Die Kontrolle über die Einhaltung der Auflagen hatte die Stadt den Baukonzernen selbst übertragen!
Vor zwei Tagen wurde nun bekannt, dass es in der Baugrube bereits im September 2008 einen so genannten "hydraulischen Grundbruch" gegeben hat, bei dem Wasser eingedrungen war. Eine bei der Technischen Hochschule Aachen in Auftrag gegebene Studie kam kurz darauf zu dem Ergebnis, dass sich die üblichen Berechungsverfahren "als auf der unsicheren Seite liegend" erwiesen hätten. Dadurch könnten Situationen entstehen, "welche nicht nur wirtschaftliche Schäden mit sich bringen, sondern unter Umständen Menschenleben gefährden". Die Studie wurde bis vor kurzem unter dem Deckel gehalten.
In einem Leserbrief an den "Kölner Stadtanzeiger" heißt es dazu anklagend: "Ob man bereit ist, ein höheres Risiko einzugehen, wird einfach zu einer Frage der Wirtschaftlichkeit." Jede Kostensenkung bedeutet für die beteiligten Konzerne steigende Profite bei staatlich garantierter Zahlung der wachsenden Bausummen. Ein Gedenkmarsch, an dem am 17. März in Köln 2.500 Menschen teilnahmen, stand nicht nur im Zeichen der Trauer um die Opfer der Katastrophe, sondern auch der Wut über die Vertuschungspolitik und zunehmender Forderungen nach Rücktritt und Bestrafung der Verantwortlichen.