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Opelaner: "Bochum braucht kein zweites Nokia!"

20.03.09 - In Bochum melden sich die Opelaner seit einigen Tagen mit einer Unterschriftensammlung selbst zu Wort. Sie bringt Leben in die Diskussion in der Belegschaft. Im Text heißt es: "Wir werden uns nicht mit der Drohung einer Werksschließung zu weiterem Verzicht erpressen lassen. Wir werden um unsere tariflichen Leistungen ebenso kämpfen wie um den Erhalt unseres Werks! Bochum braucht kein zweites Nokia!" Unter anderem geht es darum, die Forderung nach der Auszahlung der 2,1 Prozent Tariflohnerhöhung zu untermauern, die Opel einfach gestrichen hat. Innerhalb der letzten zehn Tage sind dafür weit über 900 Unterschriften gesammelt worden.

Angesicht des Trommelfeuers der Medien z.B. über angebliche "Verhandlungserfolge" eines Ministers von und zu Guttenberg in den USA entwickelt sich die Unterschriftensammlung im ganzen Werk hervorragend. Einige Abteilungen haben zu 100 Prozent unterschrieben, der Schnitt liegt etwa bei 60 bis 70 Prozent.

Ein Korrespondent berichtet, dass die Aktion allerdings bis zuletzt unter Betriebsräten heftig umstritten war und einige ihre Teilnahme an der Übergabe der Unterschriften abgesagt haben - man müsse das erst mal in der IG Metall diskutieren. "Klar muss man die Angebote der IGM-Führung, den Tarif zu brechen, innerhalb der IG Metall kritisieren. Aber die Lohnkürzung kommt vom GM-Vorstand und gegen den ist kämpferische Initiative das Entscheidende", schreibt er. Gestern morgen machten sich 25 Kolleginnen und Kollegen zusammen mit Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann in der großen Pause auf, um den ersten Schub von Unterschriften dem Werksleiter persönlich zu übergeben. 

In dem Bericht heißt es: "Nachdem der Werksleiter nicht anzutreffen war, wurden die Unterschriften einer Vertreterin des Personaldirektors überreicht: 'Wir werden weder diesen Tarifbruch akzeptieren, noch uns mit Werksschließung erpressen lassen! Sie schulden uns das Geld seit dem 1. Februar und das wollen wir hier einfordern!' Zuerst versuchte die Frau von der Personaldirektion die Unterschriften in Frage zu stellen. Da wären ja gar keine Stammnummern drauf. Die seien aber für einen Antrag nötig.

Mehrere Kollegen antworteten darauf: 'Wir stellen hier keinen Antrag. Wir verlangen das Geld, was uns zusteht. Wir können aber das nächste Mal auch mit allen kommen, die unterschrieben haben.' Schließlich sagte sie zu, die Unterschriften und unsere Forderungen an den Werksleiter weiterzugeben. Auf dem Rückweg wurde die Aktion als Erfolg ausgewertet: 'Das war eine gute Sache. Auch dass viele von uns gesprochen haben. Am Anfang wollte die uns nicht ernst nehmen, richtig unverschämt und arrogant war das. Wir müssen jetzt aber weiter Druck machen.'"

Weiter schreibt der Korrespondent: "Es geht um wesentlich mehr als die 2,1 Prozent. Bochum steht im Mittelpunkt, weil die Autokonzerne einen Durchbruch gegen eine besonders kampferfahrene und mit der MLPD verbundene Belegschaft erreichen wollen. In den letzten Tagen verdichten sich die Hinweise, dass im Windschatten der Medieninszenierungen um die 'Rettung von Opel' Stück für Stück die massenhafte Arbeitsplatzvernichtung und Werksschließungen vorbereitet werden."

Kaum hatte die Unterschriftensammlung "Bochum braucht kein zweites Nokia!" Fahrt aufgenommen, tauchte plötzlich eine zweite, spalterische Unterschriftensammlung der Betriebsratsspitze auf, die einen anderen Weg einschlägt: Sie fordert, dass die Astra- und Zafira-Produktion nach Bochum kommt - und richtet sich somit mehr oder weniger direkt gegen die Belegschaft in Antwerpen. 

Gegen die Kollegeninteressen wendet sich auch die Erklärung des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Klaus Franz, die Belegschaft sei zu einem Lohnverzicht bereit, wenn die Arbeiter an einer europäischen Opel/Vauxhall-Gesellschaft beteiligt würden und der Betriebsrat mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung der künftigen Unternehmensstruktur erhalte. Damit unterstützt Klaus Franz offen die Politik der Opel-Geschäftsführung, die mit Spaltung der Belegschaften und extremer Verschärfung der Ausbeutung am Schluss noch gestärkt aus der Krise hervorgehen will. 

"Die Unterschriftensammlung hat die notwendige Diskussion um die Richtung 'Wir bezahlen nicht eure Krisenlasten' weiter gebracht. Das sollte in den anderen Werken über den GM/Opel-Konzern hinaus diskutiert werden", heißt es in der Korrespondenz (hier der Text der Unterschriftenliste als pdf-Datei).