Politik

Bundeskanzlerin Merkel bei "Anne Will": Außer Spesen nichts gewesen

23.03.09 - Kurzfristig wurde oder hatte sich Angela Merkel zur gestrigen Talkshow "Anne Will" eingeladen. Angesichts sinkender Umfragewerte der Unionsparteien und zunehmender Widersprüche in der Großen Koalition offenbar ein Versuch, das ramponierte Image als "Krisenmanagerin" zu flicken. Doch selbst in bürgerlichen Medien wird resümiert, dass ihr Auftritt wohl "viele Erwartungen ins Leere laufen" ließ. Er strotzte nur so vor bedeutungsschwangeren Sätzen wie: "Die Lösungen, die wir zu finden haben, können nicht in der Vergangenheit nachgeguckt werden."

Was sie als "Lösungen" auftischte, war bei näherer Betrachtung aber alles andere als neu. Ausgerechnet die ihrer Meinung nach "abhanden" gekommene "soziale Marktwirtschaft" solle zukünftige Wirtschaftskrisen vermeiden helfen. "Abhanden gekommen" ist allerdings nicht die "soziale Marktwirtschaft", die nur eine Lebenslüge des staatsmonopolistischen Kapitalismus war, sondern mehr und mehr das Vertrauen der Menschen in das herrschende System. Der Kapitalismus war nie "sozial", er führte auch in den Jahrzehnten der Nachkriegszeit zu einer wachsenden Schere zwischen Arm und Reich. Das tritt mit dem Scheitern der staatlichen Krisenregulierung umso offener zutage.

Auch zur Auseinandersetzung bei Opel gab es von Angela Merkel nur schwammige Aussagen und das Versprechen, die Opelaner in Rüsselsheim zu besuchen - worauf diese bestimmt schon sehnsüchtig warten. Merkels Laviererei in dieser Frage war symptomatisch für den wachsenden Zwiespalt in der Regierung. Ökonomisch ist es für sie riskant, bei einem Übermonopol wie Opel mit direkten Finanzhilfen fortzufahren, politisch ist jedoch die Liquidierung von Opel für die Herrschenden ein Spiel mit dem Feuer.

Die Vertiefung der latenten politischen Krise und der sich verschärfende Streit in der Regierung, wie die Krisenlasten auf die Massen abgewälzt werden sollen, ist der Hintergrund für die verstärkte mediale Selbstdarstellung der Bundeskanzlerin. Wenn der neue Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, die "Vielstimmigkeit" der Regierung kritisiert, geht es ihm vor allem um eine verschärfte Gangart der Regierungspolitik, während Angela Merkel eher an der bisherigen Klassenversöhnungspolitik der Großen Koalition festhalten will. Ob ihr das helfen wird, den Ausbruch einer offenen Regierungskrise bzw. offenen politischen Krise noch vor den Bundestagswahlen zu verhindern, ist fraglich.

Das Zuschauerinteresse an der Kanzlerin war mit einer Einschaltquote von 14,1 Prozent eher mäßig. Die wirklich wichtigen Diskussionen finden zur Zeit auch nicht bei "Anne Will" statt, sondern in den Betrieben, auf der Straße oder heute wieder bei den Montagsdemonstrationen in ganz Deutschland. Dort wird Klartext gesprochen und werden positive Antworten auf die Fragen nach der gesellschaftlichen Zukunft und einer wirklichen Alternative zum Kapitalismus gegeben.