Betrieb und Gewerkschaft

Betriebsversammlung bei Daimler Düsseldorf: Sozialismus zur Diskussion gestellt

Düsseldorf (Korrespondenz), 03.04.09: Etwa 4.000 Kolleginnen und Kollegen aus allen drei Schichten kamen am Mittwochvormittag im Mercedes-Benz Werk Düsseldorf zur außerordentlichen Betriebsversammlung. Der Vorstand hatte extra Herrn Porth, den zukünftigen Personalchef des Daimler-Konzerns, einfliegen lassen. In seinem Bericht nahm er den massiven Einbruch des Autoabsatzes im Februar 2009 (im Gesamtkonzern -40 Prozent, bei Transportern -60 Prozent) zum Anlass, von einer "existenzbedrohenden Situation" zu sprechen. Er zeichnete ein Bild, als würde Daimler kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stehen. Nicht wenige Kollegen waren erstmal baff und es sollte als regelrechte Angstkulisse wirken.

Mit massiven Angriffen will der Vorstand allein dieses Jahr 2 Milliarden Euro mehr aus den Kollegen rauspressen (siehe "rf-news"-Bericht vom 2.4.09). Über diese Angriffe wird seit ca. zwei Wochen geheim mit dem Gesamtbetriebsrat verhandelt, natürlich ohne Mandat bzw. Auftrag der Belegschaft. Der Konzern hat offensichtlich Angst, dass die Belegschaft die bisher massivsten Angriffe auf die Konzernbelegschaft nicht schluckt.

In der Aussprache begann ein intensiver Prozess, diese neue Situation zu verarbeiten. Ein Kollege arbeitete heraus, dass der Profit und alle Produktionsrekorde der letzten Jahre auf unserem Rücken erarbeitet wurden. Es sei überhaupt nicht einzusehen dass wir nun massiv für diese Krise bluten. Er griff den Vorstandsvertreter direkt an: "Sie haben eine Villa, sie haben Millionen Rücklagen, aber unsereins kann nicht auf Rücklagen zurückgreifen und muss vielleicht noch Eigentum abbezahlen. Was soll das für ein Verzicht sein?" Im tosenden Applaus ging allerdings fast unter, dass er bei aller Kritik ein bestimmtes Verständnis äußerte, dass wir angesichts der Dimension der Krise auch verzichten müssten.

Eine Kollegin griff die geplante Nichtübernahme von Hunderten Azubis an. Das sei schon der erste Stellenabbau und müsse angegriffen werden. Sie sprach sich dafür aus, die Solidarität untereinander zu stärken und Aktionstage zu organisieren. Ein Kollege griff die geheimen Verhandlungen zwischen Vorstand und Gesamtbetriebsrat an, die aber gleichzeitig die große Angst des Vorstands vor der Reaktion der Belegschaft ausdrückten.

Er machte deutlich, dass die Wirtschaftskrise ein Grundproblem des Kapitalismus ist, dass unser Verzicht nicht an der Ursache der Krise ändert und die Alternative nur Sozialismus heißen kann. Dabei ging ein Raunen durch die Menge, ein Teil klatschte, ein anderer Teil hielt sich eher zurück. Der Kollege endete mit der Aufforderung: "Wenn die Zeiten härter werden, müssen eben unsere Kämpfe härter und unsere Solidarität größer werden." Die Frage des Sozialismus ist auf jeden Fall zur Massendiskussion geworden.