Politik

Deutsche Bahn: Hartmut Mehdorn tritt zurück

30.03.09 - Hartmut Mehdorn hat seinen Rücktritt angeboten. Das gab er heute auf der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bahn bekannt. Am Wochenende musste der Vorstand der Deutschen Bahn (DB) einräumen, nicht nur seit Jahren die E-Mails der Beschäftigten kontrolliert zu haben, sondern im Herbst 2007 auch zwei über das E-Mail-System des Konzerns verbreitete "Streikinformationsschriften" der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) an die Lokführer gelöscht zu haben. Mit dem Ausspähen der Mails wollte die DB sich Einblicke in die Planung des Lokführer-Streiks vor anderthalb Jahren verschaffen. Bahnmanager Alexander Hedderich, ein Vertrauter von Bahnchef Hartmut Mehdorn, der den Börsengang der Bahn vorbereiten sollte, hatte die Spähaktion angeordnet.

Ein Sprecher der Bahn gab zu, es "wurde entschieden, den nicht zugestellten Teil der GDL-Mail, einen Streikaufruf, nicht weiter zuzustellen". Damit wird der wahre Gehalt der schon lange bekannten Bespitzelungen seit 1998 von mindestens einem Viertel der Beschäftigten bei der Bahn offenbar: Was offiziell als "Korruptionsbekämpfung" vorgeschoben wurde, richtet sich im Kern gegen Arbeiterkämpfe. 

Der jetzt neu aufgeflogene Bespitzelungsskandal brachte Hartmut Mehdorn und seine politischen Freunde in der Bundesregierung so in Bedrängnis, dass keine andere Lösung als ein Rücktritt mehr möglich war. Nachdem immer neue Informationen über die undemokratischen Methoden Mehdorns ans Licht kamen, hieß es in den letzten Tagen in Regierungskreisen, von "einer schützenden Hand im Kanzleramt" für Mehdorn könne nicht mehr ausgegangen werden, der öffentliche Druck sei zu groß geworden. Bisher waren Forderungen nach seiner Ablösung von Bundeskanzlerin Merkel immer abgeblockt worden.

Auch Finanzminister Steinbrück wollte Mehdorn nicht fallen lassen und verwies auf seine "Verdienste". Und die waren: Er hatte die Privatisierung der Bahn rücksichtlos auf dem Rücken der Eisenbahner voran getrieben. Über 120.000 Beschäftigte verloren bei dieser "Aufhübschung der Braut" ihren Arbeitsplatz, Arbeitszeiten wurden ausgedehnt, die Arbeitshetze zum Teil unerträglich gesteigert, und Löhne bis zu 30 Prozent gekürzt. Und für die Bahnkunden verschlechterte sich das Angebot ständig - bei steigenden Preisen. 

Die Bespitzelungen bei der DB sind Teil eines immer weiter ausgebauten Überwachungs-Systems. Sie stehen in einer Reihe mit den aufgeflogenen Bespitzelungen bei der Telekom, bei Siemens usw. Bei vielen Discountern wie Lidl, Penny oder Plus sind auf die Belegschaften gerichtete Minikameras und Abhörgeräte allgegenwärtig. Die Bespitzelung durch Monopolherren und Staat erfolgt Hand in Hand.

So hat Bundesinnenminister Schäuble mit der DB vereinbart, die Video-Überwachung auf den Bahnhöfen deutlich auszuweiten. Sein Ziel ist eine flächendeckende Überwachung des ganzen Landes: "An jedem Brennpunkt öffentlicher Kommunikation, auf Bahnhöfen, Flughäfen, großen Straßen und Plätzen, ist Video-Überwachung machbar und sinnvoll", sagte Schäuble in einem Interview mit Focus bereits im Sommer 2006. 

Doch die bekannt gewordenen Spitzel-Aktivitäten rufen die Empörung von Belegschaften, Gewerkschaftern, Demokraten usw. hervor. Sie untergraben die Lebenslüge des Kapitalismus vom "freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat" und lassen den Charakter dieser Gesellschaftsordnung als Diktatur der Monopole deutlicher zum Vorschein kommen. Die Bespitzelungen zeigen die ganze Schwäche dieses Systems, die Angst der Herrschenden vor dem Kampf der Arbeiter und Volksmassen. Umso wichtiger ist es, entschlossen für die Verteidigung und Erweiterung der bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten einzutreten und das mit der Auseinandersetzung über den Charakter des bürgerlichen Staates zu verbinden.