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Worauf Obamas "Vision einer atomwaffenfreien Welt" abzielt
06.04.09 - Die von US-Präsident Barack Obama in Prag verkündete Vision zur Schaffung einer atomwaffenfreien Welt unter der Führungsrolle der USA wurde weltweit von den Massenmedien als eine Geschichte machende Rede gewertet. Das "Netzwerk Friedenskooperative" erteilte Obamas Versprechen die Würdigung einer "kritischen Begleitung durch die Friedensbewegung", schränkte aber ein: "Bedauerlich" sei aber, "dass er in seiner Prager Rede der unter Bush geplanten Raketenabwehr in Polen und Tschechien überhaupt kein Absage erteilt hat". Letzteres hat schließlich dazu geführt, dass in Prag neben dem Jubel von Zehntausenden auf dem Platz vor der Burg auch 600 Gegendemonstranten waren. Unter den friedliebenden Menschen besteht also Klärungsbedarf, was von Obamas Vorstoß zu halten ist.
Handelt es sich bei seinen Vorschlägen um eine echte Abrüstung oder einen Abrüstungsbetrug? Um das zu beurteilen sind folgende Punkte wichtig:
Erstens: Die Überlegenheit der atomaren Hochrüstung gegenüber Russland soll erhalten werden. Obama bietet Russland sofortige Verhandlungen über den gegenseitigen Abbau von atomaren Trägerwaffen, Atomtests usw. an. Beide Länder verfügen über ein Waffenarsenal, das mehrfach die ganze Welt vernichten könnte. Die USA und Russland haben heute mit über rund 18.000 gut 95 Prozent aller Atomsprengköpfe. Am militärischen Kräfteverhältnis würde sich nach einer beiderseitigen Reduzierung nichts ändern, denn es ist unerheblich, ob man die Welt sechs oder nur viermal in Schutt und Asche bomben kann. Da Obama aber ausdrücklich nicht auf das "Raketenabwehrschild" verzichtet, das in Wahrheit eine vorgeschobene Angriffswaffe gegen Russland ist, würde die USA aus dieser "atomaren Abrüstung" gegenüber Russland gestärkt hervorgehen.
Zweitens: Kein Wort von dem Verzicht auf taktische Atomwaffen, auf die die USA ihre atomare Rüstung inzwischen verlagert hat. Die USA und ihre Nato-Partner bauen die Anlagen für spaltbares Material aus Ausgangsstoff der Atomwaffen weiter aus und wollen über internationale Verträge (Atomwaffensperrvertrag u.a.) andere Länder vollständig der Kontrolle der USA unterwerfen, was Obama als "Sicherung des nuklearen Materials" bezeichnet.
Drittens: Ein wesentlicher Hintergrund von Obamas Angebot ist eine bereits unter Bush eingeleitete Änderung der Militärstrategie der USA. Dazu schreibt die "Frankfurter Rundschau" von heute: "Die USA wollen ihren Militäretat auf die Bedürfnisse der Zukunft umschichten. Waffensysteme aus der Zeit des Kalten Krieges sollen von kleineren, beweglichen Systemen gegen den weltweiten Einsatz gegen Aufständische und Guerillabewegungen abgelöst werden." Das ist eine aggressive Kriegserklärung an alle um ihre Befreiung kämpfenden Völker sowie antiimperialistischen und revolutionären Massenbewegungen.
Viertens: Sein Vorschlag ist Ausdruck der Verschärfung aller zwischenimperialistischen Widersprüche. Alle atomwaffenbesitzenden Mächte (China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Pakistan, Israel) sollen ihre Waffenlager abbauen und dies soll unter der "moralischen Führung der USA" erfolgen. Aktuell war seine Drohgebährde besonders gegen aufkommende neue Konkurrenten. Der Trick von Obama: "Schwellenländer, die über Atomwaffen verfügen oder in der Lage wären, sie herzustellen, ... beriefen sich bislang gerne darauf, erst wenn die offiziellen Atommächte vorangingen, würden (sie) über einen Verzicht auf nukleare Waffen nachdenken. Diese Argumentation dürfte für Nationen wie Indien, Pakistan oder den Iran künftig schwieriger sein." ("Frankfurter Rundschau" von heute)
Was das praktisch bedeutet, dafür dient Nordkorea derzeit Exempel. Das Land erprobt bekanntlich schon seit vielen Monaten eine eigene Langstreckenrakete, was jetzt zur "Bedrohung der USA" aufgebauscht wird. Diese Rakete ist technisch ein Altmodell gegenüber den High-Tech-Waffen der USA. Interkontinentalraketen wären nur dann eine unmittelbare Bedrohung für die USA, wenn Nordkorea über ein Satellitensystem und vorgeschobene Abschussrampen verfügen würde. Wer bedroht hier wen? Bis vor zwei Wochen haben 76.000 (!) Marinesoldaten der USA und Südkoreas vor der Küste ein Manöver durchgeführt. Nordkorea hat den Start nach Ende des Manövers verschoben, um nicht den Vorwand für einen angeblichen Angriff auf die Seestreitkräfte durch herab fallende Raketenteile zu liefern.
Hinter visionären Worte und Gesten propagiert Obama eine knallharte imperialistische Machtpolitik, die im Kern das fortsetzt, was sein Vorgänger Bush vorbereitet hat: Die neue Strategie des US-Imperialismus für die führende Weltherrschaftsrolle der USA. Die charismatische Gestalt von Obama setzt nicht die Gesetzmäßigkeit außer Kraft, die Berthold Brecht sinngemäß in die berühmten Worte fasste, dass wenn die Herrschenden von Frieden reden, das gemeine Volk weiß, es wird Krieg vorbereitet.
Eine absolute Abrüstung wie sie Obama als Fernziel ankündigt, ist unter der Herrschaft des Imperialismus eine Illusion. Das kann erst in einer Ära der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt real werden. Eine konkrete Abrüstung von Massenvernichtungswaffen kann und muss jedoch durchaus erkämpft werden: Das setzt voraus, dass die weltweite Friedensbewegung den Abrüstungsbetrug durchschaut und die Herrschenden durch Massenkampf zur Erklärung des Verzichts auf jeglichen Ersteinsatz von ABC-Waffen und zum Verbot und zur Vernichtung aller ABC-Waffen zwingt.