International

Opfer klagen an: Warnungen vor Erdbebenkatastrophe in Italien wurden in den Wind geschlagen

08.04.09 - Bis heute wurden über 260 Todesopfer der Erdbebenkatastrophe in der italienischen Provinz Abruzzen geborgen. Zahlreiche weitere Menschen werden vermisst und 17.000 wurden obdachlos. Es gibt breite Solidarität und Hilfsbereitschaft - weit über die Region und Italien hinaus. Während auch Ministerpräsident Silvio Berlusconi vollmundig Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen versprach, sind die Betroffenen misstrauisch und pochen darauf, dass es im Unterschied zu früheren Erdbeben nicht bei leeren Versprechungen bleibt. Über 20 Jahre dauerten die Wiederaufbauarbeiten in Irpinien bei Neapel, das Anfang der 1980er Jahren von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde. Über 20 Jahre dauerten die Wiederaufbauarbeiten in Irpinien bei Neapel, das Anfang der 1980er Jahren von einem schweren Erdbeben erschüttert wurde. 1.200 Menschen haben in Umbrien nach dem schweren Erdbeben von 1997 noch immer kein neues Dach über dem Kopf.

Nicht nur in Italien gibt es jetzt erneut eine breite Diskussion darüber, warum es immer wieder zu solch verheerenden Katastrophen kommt, obwohl heute weitgehende Möglichkeiten des Schutzes vor Erdbeben und der Vorhersage bestehen. So verändern sich vor Erdbeben z.B. Brunnenpegelstände und die elektrische Leitfähigkeit des Bodens. Unter der Erde lebende Tiere registrieren verschiedene Phänomene viel früher als Menschen und fliehen in Panik aus ihren Höhlen.

Im sozialistischen China zur Zeit Mao Tsetungs war unter anderem gestützt auf solche Naturbeobachtungen ein weitverzweigtes Frühwarnsystem entwickelt worden. Dadurch konnte im Februar 1975 die Bevölkerung rechtzeitig vor einem Erdbeben in der Provinz Liaoning evakuiert werden. In anderen Fällen verhinderte die systematische Vorbereitung auf solche Katastrophen schlimmere Schäden.

Auch in Italien hatte Giampaolo Giuliani, Forscher an den "Laboratori Nazionali del Gran Sasso", dem größten unterirdischen Versuchslabor für Elementarteilchenphysik, bereits vor einem Monat ein schweres Erdbeben in Mittelitalien vorhergesagt. Allein in der vergangenen Woche hatte es 19 Erdstöße gegeben. Doch statt die Hinweise ernst zu nehmen, wurden sie von den Verantwortlichen heruntergespielt.

So wurde Giuliani wegen der "Verbreitung von Panik" angezeigt und gezwungen, seine Forschungsergebnisse aus dem Internet zu entfernen. Ende März traf sich ein Ausschuss des italienischen Krisenstabs in der Stadt und erklärte, es bestehe "kein Grund zur Besorgnis".

Zwar wird nie eine hundertprozentige Vorhersage von Erdbeben möglich sein. Wissenschaft und Technik haben jedoch auch auf diesem Gebiet wichtige Fortschritte gemacht. Aus der Kombination moderner Messverfahren und der Beobachtung von Naturveränderungen gestützt auf die Bevölkerung könnte heute eine noch wesentlich verlässlichere Erdbebenvorhersage als im China Mao Tsetungs entwickelt werden.

Die Argumentation verschiedener bürgerlicher Politiker und Wissenschaftler, "wenn man alle Hinweise ernst nähme, müsste man ständig evakuieren", offenbart eine zutiefst menschenverachtende Denkweise. Demnach ist der ungestörte Ablauf der kapitalistischen Produktion und das "Einsparen" staatlicher Gelder im Interesse der Monopole wichtiger als die Rettung hunderter und tausender Menschenleben.

Bei den meisten der in L'Aquila zerstörten Häuser handelte es sich um neuere Gebäude aus den 1970er und 1980er Jahren, die nicht einmal den elementarsten statischen Anforderungen genügten. Mehrstöckige Gebäude wurden zum Teil ohne Stahlträgerverstärkung oder nur mit solchen aus minderwertigem Material errichtet. Dem Mörtel wurde häufig eine viel zu große Menge Sand beigemischt. Verantwortlich sind dafür Bauhaie und Immobilienspekulanten im Verein mit den Behörden, die trotz der Missachtung von Bauvorschriften beide Augen zudrückten.

"Das ist ein Skandal, ... die Behörden wissen das genau", klagen Betroffene an. Eine wichtige Schlussfolgerung muss sein, die Bestrafung der verantwortlichen Behördenvertreter und Politiker sowie einen wirksamen Erdbebenschutz zu fordern und durchzusetzen.