International
"Ein neuer Schauplatz globaler Machtpolitik"
12.04.09 - Die Fernsehbilder der letzten Tage erinnern an nervenaufreibende Action-Thriller. Ein mutiger Kapitän, widerwärtige Piraten, angstvolle Geiseln und schließlich: die Helden der Meere, die Marinesoldaten auf ihren Kriegsschiffen, gekommen, die Schwachen zu schützen. Das alles passiert derzeit vor den Küsten Somalias. Am Mittwoch war das Schiff "Maersk Alabama" von Piraten angegriffen und der US-amerikanische Kapitän Richard Phillips als Geisel entführt worden. Verliefen solche Entführungen, die für die Geiseln natürlich dramatisch sind, bisher in der Regel noch nach dem Ritual: Entführung - Lösegeld - Freilassung, so haben die USA jetzt die Taktik verschärft, die Verhandlungen über die Freilassung von Phillips platzen lassen und mit einem Großauftritt ihrer Armada beantwortet.
Inzwischen hat sich ein drittes US-Kriegsschiff aufgemacht in die Region, die "USS Boxer" - bestückt mit zwei Dutzend Helikoptern und über 1.000 Mann Besatzung. Glaubt man der bürgerlichen Berichterstattung, geht es den dort stationierten Kriegsflotten um den Schutz unschuldiger Piraten-Opfer. Hinter der "humanen" Maskerade verfolgen sie jedoch andere Ziele: "Der Indische Ozean ist offensichtlich zum neuen Schauplatz globaler Machtpolitik geworden", schreibt Claudia Haydt von der Informationsstelle Militarisierung e.V. (www.imi-online.de).
Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums vom 15. Januar liegt das Risiko, im Golf von Aden Opfer einer erfolgreichen Piraten-Attacke zu werden, bei gerade mal 0,13 Prozent (www.defenselink.mil). Selbstverständlich müssen solche Angriffe verurteilt werden - aber dass jetzt die Piraten herhalten müssen für den Einsatz zahlreicher Kriegsflotten in der Region, ist Bestandteil der psychologischen Kriegführung - nach dem Motto: die "Guten" gegen das "Böse". Dort kreuzen inzwischen Kriegsschiffe und zusätzliche Versorgungsschiffe der NATO, der EU, der USA, Russland und Indiens, Deutschlands, Frankreichs, Großbritannien, Südkoreas, Chinas usw. - auch Japan will sich militärisch engagieren.
Nach dem 11. September 2001 wurde Somalia vom US-Imperialismus noch als Unterstützer Bin Ladens gebrandmarkt, um britische und US-Truppen ins Land zu bringen - dafür gab es nie einen Beweis. Es begann der sogenannte "Anti-Terror-Einsatz" der "Operation Enduring Freedom" unter massiver Beteiligung auch der deutschen Marine, die teilweise das Kommando übernahm, vor der Küste des Landes. Die Verlegung eines NATO-Schiffsverbandes aus dem Mittelmeer ans Horn von Afrika im November 2008 wurde dann - schön "menschlich" - begründet mit dem Schutz für Schiffe des Welternährungsprogramms. Und jetzt der Schutz unschuldiger Seeleute und Touristen ...
Tatsächlich geht es am Horn von Afrika um die Beherrschung strategischer Transportwege - durch den Golf von Aden gehen z.B. 30 Prozent des Rohöls für Europa. In Somalia selbst werden große Erdölvorkommen vermutet. Die deutschen Imperialisten haben als Eigner der weltgrößten Container-Flotte ein hervorgehobenes Interesse an der militärischen Sicherung dieser Wege: "Wir sind auf freien Seehandel angewiesen", formulierte dies Verteidigungsminister Franz Joseph Jung am 2. Dezember in einem Interview mit "Phoenix".
Genau so wenig, wie die Bevölkerung die angebliche "Verteidigung der Freiheit am Hindukusch" durch die Bundeswehr akzeptieren kann, kann sie die Marine-Abenteuer vor Somalias Küsten hinnehmen. Wenn die Ostermarschierer an diesen Tagen den Abzug der Bundeswehr aus dem Ausland fordern, dann schließt das auch den Abzug der deutschen Marine von den Küsten Somalias ein!