International
Thailand: Massenproteste gegen reaktionäre Regierung und Königsberater
14.04.09 - Nach Angaben des thailändischen Fernsehsenders TPBS und der Nachrichtenagentur AP beendeten die thailändischen Regierungsgegner am heutigen Dienstag vorläufig ihre Demonstrationen, nachdem sie von der Armee eingekesselt worden und zwei Menschen zu Tode gekommen waren. Die Demonstranten zogen sich wieder zum Regierungssitz zurück, den sie seit Ende März besetzt halten. Die thailändische Regierung unter Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva hatte am 12. April den Ausnahmezustand verhängt und versucht, in Bangkok ein Versammlungsverbot durchzusetzen.
Bis zu 100.000 Menschen waren in der vergangenen Woche auf die Straße gegangen, der im thailändischen Badeort Pattaya tagende Gipfel der südostasiatischen Staaten ASEAN wurde abgebrochen, die Staatsgäste mit Hubschraubern evakuiert. Die Demonstranten fordern den Rücktritt der Regierung und des obersten Königsberaters Prem Tinsulanonda.
In den bürgerlichen Medien hierzulande gelten die Demonstranten, die rote Hemden tragen, als Anhänger der "People-Power-Party" (PPP) und des im Jahr 2006 gestürzten früheren Regierungschefs Thaksin Shinawatra. Dessen antiimperialistischer Nimbus erschöpfte sich in nicht eingelösten Versprechungen, die Unabhängigkeit Thailands vom "IWF-Kolonialismus" zu erreichen und einigen Reformen für die Landbevölkerung wie Mikrokredite für Arme und bezahlbare Krankenversicherung. Diese brachten ihm einige Popularität ein. Einmal an der Regierung, führte er jedoch ebenfalls die IWF-Auflagen zulasten der Bevölkerung durch, besetzte Institutionen mit Vertrauten und sorgte mittels einer Gesetzesänderung dafür, dass seine Familie durch Verkauf ihrer Telekom-Anteile steuerfrei Millionen einstrich.
Selbst wenn die Demonstrationen gegen die amtierende thailändische Regierung mehr oder weniger stark durch Thaksin aus dem bürgerlichen Exil beeinflusst sind, so haben sie doch handfeste gesellschaftliche Hintergründe, vor allem die Auswirkungen der weltweiten Überproduktionskrise. Die Exporteinnahmen der thailändischen Wirtschaft brachen im letzten Quartal des Jahres 2008 um 12 Prozent ein, die industrielle Produktion um 10 Prozent und der Dienstleistungssektor um 18 Prozent. Für das zweite Quartal 2009 wurde gar ein Rückgang der industriellen Produktion von 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr prognostiziert. Nach Regierungsangaben haben allein im Februar dieses Jahres 100.000 Menschen ihre Arbeit verloren. In der Tourismusbranche werden in nächster Zeit 50.000 Entlassungen erwartet.
In Thailand gibt es so gut wie keine sozialen Sicherungssysteme, die Massenarmut wächst rapide. Ein Investitionsprogramm im Umfang von ca. 2,5 Milliarden Euro sollte den Konsum ankurbeln, u.a. mit Konsumgutscheinen im Wert von ca. 40 Euro für acht Millionen Geringverdiener und 1,3 Millionen Beamte. Die aktuelle offene politische Krise in Thailand zeigt das Scheitern dieser Politik.
Auf dem G20-Gipfel in London, an dem der thailändische Premierminister Abhisit Vejjajiva als derzeitiger ASEAN-Vorsitzender teilnahm, forderte er mehr Kredite vom IWF für Entwicklungsländer und versicherte, Thailand sei zur Normalität zurückgekehrt. Im vergangenen Jahr hatten die sogenannten "Gelbhemden", Anhänger der reaktionären royalistischen "Volksallianz für Demokratie" (PAD) – damals Oppositions-, jetzt Regierungspartei – monatelang mit Massendemonstrationen und Blockaden in der Hauptstadt Bangkok den öffentlichen Verkehr lahmgelegt. Diese Clans aus Adel, Monarchisten, Militärs und Unternehmern vertritt Vejjajiva.
Nach insgesamt drei Wahlniederlagen gegen Thaksin erreichte er nach den gekauften Demonstrationen im Dezember 2008 eine Mehrheit im Parlament. Ein Mittel politischer Zensur und Unterdrückung in Thailand ist das Gesetz über Majestätsbeleidung, das "Lèse Majesté", das Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren für die Beleidigung der königlichen Familie vorsieht. Als königsbeleidigend gilt jede Sozialkritik und selbstredend die Forderung nach Abschaffung der Monarchie.
Die Politik von Thaksin Shinawatra stellt für die thailändischen Massen keine wirkliche Alternative dar. Mehr als berechtigt sind aber die Forderungen nach Rücktritt der Vejjajva-Regierung und dem reaktionären Königsberater.