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Neuer Horror-Katalog bei Daimler
29.04.09 - Gestern gab der Daimler-Vorstand auf Betriebsversammlungen sein neues Krisenprogramm bekannt. Der Einbruch im ersten Quartal 2009 von 34 Prozent beim PKW- und 39 Prozent beim LKW-Absatz ließ die den Beschäftigten monatelang verabreichten Beruhigungsversprechungen platzen. Zusätzliche 2 Milliarden Euro will der Vorstand aus ihnen herauspressen über eine 8,75-prozentige Arbeitszeitkürzung ohne Lohnausgleich, Verschiebung der Tariflohnerhöhung vom 1. Mai auf den 1. Oktober, Kürzungen beim Zuschuss zum Kurzarbeitergeld und Verweigerung der Auszahlung der zusagten 1.900-Euro-Prämie. Eine härtere Gangart: die Krisenlasten sollen noch umfassender auf die Kollegen und ihre Familien abgewälzt werden.
Gewonnen werden sollen die Kollegen für diesen mit den Betriebsratsspitzen Erich Klemm und Helmut Lense ausgemauschelten Erpressungskatalog mit der Behauptung, das sei der Weg "ohne Entlassungen durch die Krise". Dabei war diese Losung aus der Betriebsratsspitze schon Makulatur, bevor sie überhaupt gedruckt war. Mehrere Tausend vor allem jüngere Kollegen mit befristeten Verträgen wurden bereits auf die Straße gesetzt - wohlweislich wird die genaue Zahl unter der Decke gehalten.
Und wenn jetzt reihenweise nach außen vergebene Aufträge "ingesourct" (zurückgeholt) werden zur angeblichen Sicherung von Arbeitsplätzen, werden auch dadurch weitere Arbeitsplätze vernichtet. Nur eben dann bei den Zulieferern und nicht bei der sogenannten Stammbelegschaft. Doch selbst für die gibt es allenfalls die vage Versprechung, auf "betriebsbedingte Kündigungen bis Mitte nächsten Jahres zu verzichten" und die seit 2004 Eingestellten dabei einzubeziehen.
Verbunden mit der Klausel "Für den Fall einer unverändert schlechten oder weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage kann die Regelung mit einer Frist von zwei Monaten, frühestens zum 31.12.2009 gekündigt werden". Diese Klausel ist keinen Pfifferling wert - geht sie doch davon aus, dass die Talsohle der Krise schon erreicht sei. Da dies nicht der Fall ist, wird der Vorstand sicher versuchen, diese Regelung zu kündigen. Dieser Zeitpunkt liegt dann fast punktgenau nach der Bundestagswahl Ende September ...
Aus Angst vor dem gemeinsamen Kampf von Jung und Alt wurde zwar zunächst einmal der Plan fallen gelassen, 20 Prozent der Auslerner von 2006 und 2007 gleich auf die Straße zu werfen. Ein Korrespondent aus Düsseldorf schreibt allerdings dazu: "Die Übernahmeregelung wird massiv verschlechtert: Nur noch 80 Prozent werden unbefristet übernommen, 20 Prozent nur noch für ein Jahr. Gleichzeitig werden alle Azubis nur noch in einer 28-Stunden-Woche übernommen und das Ganze als 'Solidarvereinbarung' unter den Azubis verkauft.
Weil also die einen 'solidarisch' verzichten, dürfen die anderen gnädigerweise ein Jahr bleiben, 'damit ihr Arbeitslosengeld nicht auf einen Azubilohn berechnet wird'. Fliegen die 20 Prozent nach einem Jahr raus, wird für die anderen 80 Prozent die Arbeitszeit wieder auf 100 Prozent erhöht. Insgesamt werden auch die Ausbildungsplätze schrittweise von 1.600 auf 1.000 abgesenkt. Das bedeutet nichts anderes, als dass Daimler bezogen auf die nächsten zehn Jahre rund 3.500 Ausbildungsplätze weniger anbietet!"
Völlig zurecht protestierten deshalb Kollegen in Stuttgart-Untertürkheim mit Schildern wie "Nicht mit uns - kein Verzicht". Als sich Mettinger Kollegen mit ihren Schildern "Verzicht schafft keine Arbeitsplätze" vor die Bühne der einberufenen Betriebsversammlung stellten, weigerte sich der Betriebsratsvorsitzende Lense, die Versammlung zu eröffnen, "solange linksextreme Störer die Bühne belagerten". Der Erpressung der Geschäftsleitung Flankenschutz zu geben ist das eine; aber es muss zu denken geben, wenn schon die einfachste Arbeiterforderung, nicht zu verzichten, als "linker Extremismus" hingestellt wird: so tief kann man sinken als Vertreter der Klassenzusammenarbeit!
Von den 30 Rednern auf der Betriebsversammlung in Untertürkheim sprachen sich mehr als ein Drittel gegen den Erpressungskatalog aus. Unter ihnen Volker Kraft, langjähriger Betriebsrat und Direktkandidat der MLPD/Offene Liste in Stuttgart. Vier bis fünf Redner, die sich für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich aussprachen, bekamen sehr deutlichen Beifall.
Aus Düsseldorf wird berichtet: "In der Aussprache entfaltete sich eine intensive Diskussion mit mindestens zehn Diskussionsbeiträgen. Es ging in erster Linie um die Frage, ob man dieses Programm unter dem Motto 'es hätte schlimmer kommen können' akzeptiert oder ob man sich auf kommende Auseinandersetzungen einstellt. Es deutet vieles darauf hin, dass Daimler ab Ende des Jahres massiv Arbeitsplätze vernichten wird. In mehreren Beiträgen wurde auch eine Kritik an den gesamten kapitalistischen Verhältnissen entwickelt und wurden die Kollegen aufgerufen, sich offen über eine Alternative, den Sozialismus, auseinander zu setzen."
Diese Diskussion wird am 1. Mai und in den nächsten Monaten sicher intensiv weitergeführt werden.