Briefwechsel zwischen der MLPD Hagen/Märkischer Kreis und dem DGB Hagen
Anne.Sandner@DGB.de schrieb am 14. April 2004:
Hallo Frau Höhne,
ein Infostand auf der Kundgebung am 1. Mai im Volkspark ist auch in diesem Jahr *_NICHT _*möglich.
Der DGB Kreisvorstand hat bereits vor einigen Jahren beschlossen, Infostände weder von politischen Parteien noch von ihren Jugendorganisationen zuzulassen. Aus diesem Grunde sind auch nur Gewerkschaftsfunktionäre in ihren gewerkschaftlichen Funktionen als Redner/innen eingeladen.
Wir bitten dringend darum, diesen Beschluss zu akzeptieren und sehen auch keinen weiteren Diskussionsbedarf.
Falls Parteien doch versuchen sollten einen Infostand aufzubauen, werden wir von unserem Hausrecht Gebrauch machen und diesen Stand polizeilich entfernen lassen.
Selbstverständlich sind Sie aber jederzeit als Gäste herzlich willkommen, sowohl an unserem Demozug als auch an unserer Kundgebung teilzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Anne Sandner
Organisationssekretärin
DGB Ruhr Mark
22.04.09
Kreisverband Hagen/Märkischer Kreis
An den DGB-Kreisvorstand Ruhr-Mark
z.Hd. DGB- Vorsitzender Kreis Hagen, Jochen Marquardt
Sehr geehrter Jochen Marquardt,
am 14.4. 09 erhielten wir einen höchst erstaunlichen Brief des DGB-Kreisvorstandes. Seid Ihr Euch doch darin nicht zu schade, mit Polizeieinsatz gegen den Aufbau eines MLPD-Infostandes und eines REBELL- Standes am 1. Mai zu drohen.
Wir hätten nicht gedacht, dass der DGB-Vorstand so tief sinken und die Ideale der Arbeiterbewegung verraten kann. Jeder, der die Geschichte der Arbeiterbewegung etwas kennt, weiss, dass die Arbeiterbewegung den 1. Mai gegen Polizeigewalt und staatliche Repressionen durchsetzen musste. Auch heutzutage ist er noch bei weitem nicht selbstverständlich. In der Türkei und anderen Ländern geht die Polizei jedes Jahr gegen 1. Mai-Demonstrationen vor.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die MLPD seit 25 Jahren in Hagen bei der 1. Mai-Kundgebung einen Info-Stand durchführt und er somit fester Bestandteil der Hagener 1.Mai-Tradition ist und auch von zahlreichen Besuchern der 1.Mai-Kundgebung erwartet und aufgesucht wird.
Sie wissen so gut wie ich, dass die Absage mit der Begründung „Keine Parteien dürfen einen Stand machen“ vorgeschoben ist und sich gegen revolutionäre, linke und kritische Positionen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung richtet.
Es gibt nun mal keinen Grund, warum am 1. Mai nicht alle Parteien und Organisationen (außer selbstverständlich Faschisten) auftreten und mit Info-Ständen zur Vielfältigkeit, besserer Ausstrahlung und zum Gelingen des 1. Mai beitragen sollen. Das gehört zum demokratischen Grundverständnis und sollte für den DGB eigentlich selbstverständlich sein.
Euer Vorgehen verstößt selbst gegen das bürgerliche Versammlungsrecht. Dort heißt es (§ 1): „Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen.“ Nur die Polizei darf danach bei „gröblicher Störung“ eines „ordnungsgemäßen Ablaufs“ Teilnehmer ausschließen. Wir brauchen wohl nicht ernsthaft darüber reden, dass davon beim Stand der MLPD keine Rede sein kann.
Tatsächlich ist es ja auch kein Geheimnis, dass in den letzten Jahren die Veranstaltungsregie des DGB genutzt wurde, um am 1. Mai in Hagen einseitig sozialdemokratischen Positionen ein Forum zu verschaffen. Hauptredner sind seit Jahren SPD-Mitglieder, ob direkt als SPD-Minister (wie die SPD-NRW- Bildungsministerin vor einigen Jahren) oder wie in diesem Jahr Oliver Burkhardt (auch wenn in seiner Gewerkschaftsfunktion spricht).
Während selbst dem Jugendverband REBELL ein Stand verweigert wird, führt der SPD-Jugendverband „Die Falken“ seit vielen Jahren das Kinderprogramm durch (mit Fahnen und Werbung für „Die Falken“). Wie gesagt, wir begrüßen es ausdrücklich, wenn Parteiorganisationen sich an der Durchführung des 1. Mai beteiligen. Es ist jedoch umso unverständlicher, dass dem REBELL dieses Recht verweigert und somit mit zweierlei Maß gemessen wird.
Da CDU und FDP mit dem 1. Mai sowieso nichts zu tun haben, ist es offensichtlich, dass die Losung “keine Parteien“ sich auf den Ausschluss und Unterdrückung von revolutionären und linken Positionen in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung richtet und dazu dient, den 1. Mai für die Werbung einseitig zu Gunsten sozialdemokratischer Positionen zu missbrauchen. Das kann im Interesse der Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung nicht hingenommen werden.
Ich möchte Sie auch daran erinnern, das der 1. Mai kein Tag des DGB, sondern der internationale Kampftag der Arbeiterbewegung ist, der aus der revolutionären Arbeiterbewegung entstanden ist.
Wir finden es in Ordnung, wenn der DGB für die 1. Mai-Demonstration und – Kundgebung als Anmelder fungiert, zumal der DGB eine überparteiliche Organisation ist, deren Mitglieder unterschiedlicher weltanschaulicher und politischer Ansichten angehören. Als Anmelder übernimmt man eine große Verantwortung, damit alle Strömungen in der Arbeiterbewegung vertreten sind. Nun aber daraus ein Hausrecht zur Ausgrenzung von sozialistischen Positionen abzuleiten und sogar mit Polizeieinsatz zu drohen, ist schon ein starkes Stück.
Wir sehen das Vorgehen in Hagen auch im Zeichen der Auseinandersetzung innerhalb der Gewerkschaftsbewegung, wie man auf die derzeitige Krise reagieren soll. So treffen sich einige Gewerkschaftsspitzen bei Kanzlerin Merkel mit Bankiers und Konzernchefs, um Absprachen für ein Co-Management zu treffen. Dort ist das Thema, wie die Konzerne am besten aus der Krise kommen und es ist unausgesprochen klar, dass dies am Ende auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Auf der anderen Seite treten wir, wie viele Gewerkschafter dafür ein, dass die Folgen der Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten abgewälzt wird.
Ausgerechnet in der tiefsten Krise des Kapitalismus, wo Karl Marx heute wieder in aller Munde ist, wollen nun manche Gewerkschaftsfunktionäre die Partei, die ihn in ihrem Namen führt ausgrenzen?! Es ist doch lächerlich, zu meinen, damit könnte man die Diskussion über das Vermächtnis von Marx und die notwendige gesellschaftliche Alternative- den Sozialismus- verhindern.
Sehr geehrter Jochen Marquardt, sehr geehrter Kreisvorstand des DGB Hagen, kein ehrlicher Gewerkschafter und kein Demokrat wird eurer Vorgehen für gut heißen. Wir fordern Euch daher auf, dies zurückzunehmen und Euch für Eure Entgleisung zu entschuldigen.
Mit solidarischen Grüßen
i.A. Renate Höhne
Antwort des DGB Hagen auf den Brief der MLPD:
Sehr geehrte Kollegin Höhne,
bezugnehmend auf das Schreiben vom 22.04.09 teilen wir mit, dass
es wir bei unserer Ablehnung bleibt. Es handelt sich um eine klare
Beschlusslage des Kreisvorstands des DGB-Hagen und wir sehen
keinen Anlass von diesem Beschluss abzuweichen.
Ihr Schreiben wollen wir an dieser Stelle nicht kommentieren. Die
darin enthaltenen Vorwürfe weisen wir ausdrücklich zurück.
Mit kollegialen Grüßen
Jochen Marquardt, DGB Kreisverbandsvorsitzender Hagen und Anne Sandner - DGB Hagen