Wissenschaft und Technik

Wie ernst muss der Schweinegrippe-Alarm genommen werden?

27.04.09 - Der  Ausbruch der Schweinegrippe in den USA und vor allem in Mexiko hat weltweiten Alarm durch die Gesundheitsbehörden ausgelöst. Von Mexiko werden bereits über 100 Tote gemeldet. Auch auf andere Länder breitet sich die Krankheit inzwischen weiter aus: so werden aus Kanada, Spanien, Frankreich, Schottland, Israel und Neuseeland Verdachtsfälle gemeldet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einem Gesundheitsnotstand internationalen Ausmaßes. Wir baten den approbierten Tierarzt und Diplombiologen Herbert Buchta um eine aktuelle Stellungnahme:

„Panikmache ist nicht angebracht, aber die Gefahr darf auch nicht kleingeredet werden. So ist gar nicht bekannt, ob die genannte Zahl von Toten allesamt auf Schweinegrippe zurückzuführen ist. Auch die 'normalen Grippewellen' fordern weltweit zigtausende von Todesopfern. Das betrifft vor allem ältere oder Menschen mit einem schwachen Immunsystem. Die Beobachtungen im aktuellen Fall in Mexiko stehen allerdings im Gegensatz dazu, weil überdurchschnittlich viele jüngere Menschen betroffen sind.

Bei Schweinen ist die Grippe, d.h. die Influenza, genauso üblich wie beim Menschen. Bei der aktuellen Schweinegrippe handelt es sich um eine neue Qualität des bekannten Schweinegrippenvirus. Dieses war ursprünglich nicht vom Schwein auf den Menschen übertragbar bzw. Übertragungen traten nur in Einzelfällen auf. So gab es z.B. 1976 einen ähnlichen Ausbruch unter US-Soldaten, bei dem ein Soldat starb. Gefährlich ist die Veränderung und die neue Qualität von Viren.

Die Übertragung von Grippeviren vom Tier auf den Menschen ist auch nicht neu: So starben z.B. gegen Ende des I. Weltkriegs an der sogenannten Spanischen Grippe - einer Kombination von menschlichen und Vogelviren - mehr Menschen als durch den Krieg. Bei dem aktuellen Schweinegrippen-Virus handelt es sich um eine neue Variante, da dieses Virus nicht nur vom Schwein auf den Menschen, sondern auch von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Dabei hat sich das Virus von Qualität und Quantität her verändert. Bestand die Übertragung bisher nur in Einzelfällen, so ist jetzt die Ansteckungsgefahr enorm gestiegen und der Verlauf schwerwiegender.

Ähnlich wie bei dem Ausbruch der Vogelgrippe begünstigt ein enges Zusammenleben von Mensch und Tier den Ausbruch der Krankheit. Hinzu kommen schlechte hygienische Bedingungen, die schlechten  Umweltbedingungen in Mexiko-Stadt und eine unzureichende Gesundheitsversorgung.

Noch ist das Risiko schwer einzuschätzen, aber die Gefahr einer weltumspannenden Grippeepidemie - also einer Pandemie - ist gegeben. Sie ist unbedingt ernst zu nehmen. Allerdings ist gegen die Ausbreitung und bei Erkrankung mit den neueren Grippemitteln eine Therapie möglich. Das ist zu beobachten und zu untersuchen. Sollte es trotz konsequenter Vorsichtsmaßnahmen zu einer Pandemie kommen, so muss auf die bestehenden nationalen und weltweiten Pandemiepläne der Gesundheitsorganisationen zurück gegriffen werden

Es ist unbedingt richtig, konsequent alle Vorsichts- und möglichen Therapiemaßnahmen zu ergreifen und einzuhalten. So scheinen die neueren Grippemittel wie Tamiflu (Wirkstoff Oseltamivir) und Relenza (Wirkstoff Zanamivir) bei der aktuellen Schweinegrippe wirksam zu sein. Bei den vorhandenen Impfstoffen ist eine gewisse Kreuzimmunität  möglich, d.h. sie können greifen, garantieren aber keinen sicheren Schutz. Die Entwicklung eines spezifischen Impfstoffes für den neuen Erreger wird aber sicherlich noch mehrere Monate in Anspruch nehmen."