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Wer sind die Piraten am Horn von Afrika?

13.05.09 - Mit Rückendeckung der Bundeskanzlerin forderte Innenminister Schäuble vor wenigen Tagen erneut eine Änderung des Grundgesetzes, um die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im In- und Ausland zu erweitern. Herhalten musste dafür die angebliche Bedrohung deutscher Schiffe durch somalische Piraten am Horn von Afrika. Weitgehend ausgeblendet wird in der bürgerlichen Medienberichterstattung, was es mit diesen "Piraten" eigentlich auf sich hat.

Tatsächlich handelt es sich dabei zum Teil um verarmte Fischer vor allem aus der Region Puntland und dem Eyl-Distrikt, wie unter anderem aus einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 16.3.2009 hervorgeht. Es sind vor allem die großen europäischen, japanischen und chinesischen Fangflotten, die ihnen die Lebensgrundlage raubten, indem sie die soma­lischen Küstengewässer systematisch leer gefischt haben. Verantwortlich für diese Situation sind auch Weltbank und IWF. Deren gegenüber Somalia verordnete Einsparungspro­gramme zur Schuldenrückzahlung führten auch dazu, dass die somalische Regierung ihre komplette Küstenwache auflösen muss­te, da sie keine Gehälter mehr zahlen konnte. Von den Fangflotten der imperialistischen Länder wurde das gnadenlos ausgenützt.

Somalia ist inzwischen das mit am meisten verwüstete Land Afrikas. Mehr als 10.000 Menschen sind seit Januar 2007 getötet worden und mehr als eine Million Menschen sind Flüchtlinge im eigenen Land. Die Vereinten Nationen berichten über verbreitete akute Mangelernährung und eine Sterblichkeitsrate von 145 Todesfällen auf tausend Kinder unter fünf Jahren. Alleine in den ersten drei Monaten 2009 registrierte das UN-Flüchtlingswerk UNHCR im Jemen 19.620 Menschen, die in 387 Booten vom Horn von Afrika über den Golf von Aden das Land erreichten - nachweislich umgekommen sind von ihnen im selben Zeitraum 131.

Die "Rheinische Post" vom 5.5.09 be­rich­tet: "Die meisten Somalis leben in bitterer Armut und leiden zudem an außergewöhnlichen Krankheiten: der Tsunami im Dezember 2004 hat in großen Mengen illegal versenkten Giftmüll ans Land geschwemmt. Die leckgeschlagenen Fässer mit radioak­tiven oder giftigen Inhalte lösen Geschwüre, innere Blutungen und sogar Erblindungen aus." Ein Anführer der sogenannten "Piraten" klagt an: "Wir schützen nur unsere Gewässer. Als Piraten betrachten wir die Kerle, die ihren Müll vor unserer Küste versenken und hier illegal fischen."

Verarmte Fischer und Küstenbewohner - in Somalia meist in Clans organisiert - gingen dazu über, Wegezoll von den Schiffen zu erheben. Dazu mussten die Frachter, Yachten und Passagierschiffe zumindest vorübergehend gekapert werden. Auch wenn dies teilweise von kriminellen Banden ausgenützt und missbraucht wird, war der Ausgangspunkt eine berechtigte Rebellion.

Die imperialistischen Länder antworteten am 2.6.2008 mit der Verabschiedung der UNO-Resolution 1816. Diese hob die somalische Souveränität über das eigene Küstengebiet auf und erlaubte es jeder beliebigen Militärmacht der Welt, auch im Zwölf-Meilen-Gebiet vor der Küste Einheiten zusammen zu ziehen und gegen mutmaßliche Piraten einzusetzen. Dies umfasst ausdrücklich auch den Luftraum.

Der gewaltige Militäreinsatz vor Ostafrika lässt sich allerdings nicht nur durch den Kampf gegen die "Piraterie" erklären, sondern ist Ausdruck der Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche, da kein imperialistisches Land die Kontrolle dieser wichtigen Seestraße, über die ein Großteil des asiatisch-europäischen Handels verläuft, den Konkurrenten überlassen will. Sie hat geostrategische Bedeutung. Allein Deutschland erhält 56 Prozent seiner Rohölimporte über den Seeweg. Der deutsche Außenhandel wird zu einem hohen Maße über See abgewickelt.

Die Jäger bei dieser "Piratenjagd" sind also diejenigen, die die neokolonial abhängigen Länder mit Schuldenerpressungen, Überfischung und Umweltvergiftung rui­nie­ren, und die Gejagten sind diejenigen, die sich wie auch immer dagegen zur Wehr setzen.