Politik

"Steh auf, wenn Du ein Bauer bist"

"Steh auf, wenn Du ein Bauer bist"

19.05.09 - Rund 2.000 Milchbauern und Bäuerinnen sangen am letzten Samstag gemeinsam vor dem Bundeskanzleramt in Berlin ihre Kampfansage an Regierung und Handelsmonopole. EU-weit stellt die Agrarkrise die Existenzgrundlage von hunderttausenden Bauernfamilien in Frage. Durch die niedrigen Erzeugerpreise und die EU-Milchpolitik sind allein in Deutschland nach Angaben des "Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter e.V." 30.000 Höfe akut gefährdet.

Sieben Tage lang campierten deshalb zwischen 200 bis 300 Milchbäuerinnen - davon sechs im Hungerstreik - vor dem Kanzleramt im Freien. "Es ist das erste Mal, dass Bäuerinnen die Initiative in dieser Art ergriffen haben. Ihre einzigartige Aktion ist damit ein wichtiger Meilenstein", würdigte der Vorsitzende des Verbandes der Milchbauern, Romuald Schaber, die Frauenpower vor dem Kanzleramt, die mit der Kundgebung ihren kämpferischen und planmäßigen (vorläufigen) Abschluss fand.

Für die Bäuerinnen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ohnehin ein siebentägiger Drahtseilakt in der Woche. Urlaub ist kaum mal drin - und dann noch politisch aktiv werden? Im Kampf um ihren Hof und für eine lebenswerte Zukunft der Kinder wurde auch das von den kämpferischen Bäuerinnen gemeistert. Kinder, Großeltern, Verwandte, Nachbarn und Freunde übernahmen die unaufschiebbare Arbeit auf dem Hof, um den Protest vor den Kanzleramt zu ermöglichen. Meist war das für zwei oder drei Tage möglich, dann kamen die Ablöser. Tausende trugen so aktiv die Protestaktion.

Lächerliche Schikanen aus dem Kanzleramt konnten sie nicht aufhalten. Zelte und ISO-Matten wurden verboten, also schliefen sie in Schlafsäcken auf dem Kanzlerrasen. Selbst das nächtliche Anstellen der Sprinkleranlage auf dem heiligen Rasen konnte sie nicht vertreiben. Auch die Sanitärprobleme wurden zusammen mit einem Cafe in der Nähe notdürftig gelöst, indem das Cafe früher als üblich aufmachte und erst spät in der Nacht schloss. Und mutig wurden weiter Kampfmaßnahmen, wie kurzfristige zehnminütige Straßensperren erprobt. 

Der mutige Kampf brachte den Bäuerinnen viel Respekt und Sympathie aus der Bevölkerung. Neben sehr vielen anderen Organisationen und Initiativen überbrachten unter anderem Bergarbeiter von "Kumpel für AUF" aus Duisburg Solidaritätsadressen, sie erhielten Besuche von Vertretern der MLPD und von Courage, die die Bäuerinnen zur Weltfrauenkonferenz einluden und eine Courage-Fahne schenkten. Nicht so bei der Bundeskanzlerin Merkel, die jedes Gespräch mit ihnen verweigerte. Als sie mit geladenen Gästen "60 Jahre Grundgesetz" feierte und durch das Spalier der Bäuerinnen musste, "konnte sie nicht mal von Frau zu Frau uns in die Augen schauen", berichtet eine Bäuerin.

Von der Abschlusskundgebung berichtet ein Korrespondent, wie eine Bäuerin zum Ausdruck brachte, dass sie als Gewinner von Berlin weggehen: „Wir wollen Taten sehen und an den Taten werden wir euch messen. Wir sind am Verrecken und nicht zum Spaß hier. (...) Den Zusammenhalt und die Erfahrungen können sie uns nicht mehr nehmen. Wir haben viel mehr Power, haben viel gelernt und wir werden weiter mit aller Härte kämpfen." So wurde auch mit viel Beifall und kämpferischen Grüßen aus Berlin die Ankündigung begrüßt, dass am heutigen Dienstag die Bauern in Frankreich einen Generalstreik organisieren und vor die Rathäuser ziehen wollen.