Wirtschaft
Hertie-Insolvenz: Tausende Beschäftigte bangen um ihre Existenz
21.05.09 - Gestern hat die Gläubigerversammlung das Insolvenz-Verfahren für die Hertie-Kaufhauskette beendet und die Schließung der 54 Kaufhäuser innerhalb von zwei Monaten beschlossen. 2.600 Beschäftigte sollen dadurch von heute auf morgen ihre Arbeitsplätze verlieren. Nach dem von der Schröder-Regierung verabschiedeten neuen Insolvenzrecht können sie ohne jegliche Abfindung auf die Straße gesetzt werden. Mitten in der Weltwirtschaftskrise wird es für die meisten Beschäftigten kaum eine Chance auf einen neuen Arbeitsplatz geben.
Die Gläubiger-Banken des ebenfalls insolventen Eigentümers von Hertie, der britischen Immobilien-Investmentfirma Dawnay Day, versprechen sich vom Verkauf der einzelnen Häuser höhere Profite als vom Weiterbetrieb der Kaufhauskette oder ihrem Verkauf an einen neuen Investor. Durch völlig überhöhte Mieten hatte Dawnay Day Hertie in kürzester Zeit regelrecht finanziell ausgepresst und in den Ruin getrieben. Der Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende Bernd Horn kündigte mögliche Proteste der Beschäftigten in den nächsten Tagen an.
Protestaktionen gibt es auch bei Karstadt, wo am Montag eine Kundgebung vor der Essener Zentrale durchgeführt wurde. Davon berichtet eine Korrespondentin: "Etwa 400 Beschäftigte der Karstadt-Hauptverwaltung protestierten gegen die drohende Vernichtung ihrer Arbeitsplätze. Im Falle einer Insolvenz des Arcandor-Mutterkonzerns stehen 56.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die geplante Übernahme und Zusammenlegung mit Kaufhof durch den Metro-Konzern würde ebenfalls tausende Arbeitsplätze kosten und die Schließung der jetzigen Hauptverwaltung bedeuten. Bei der Rede von Margret Mönig-Raane vom Verdi-Vorstand rief eine Kollegin 'Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft verbaut!' und alle stimmten ein."
Der Metro-Konzern will Karstadt übernehmen und mit der Kaufhof-Kette zu einer "Deutschen Warenhaus AG" fusionieren. Ein maßgeblicher Hintergrund dieser Entwicklung ist nicht nur eine sprunghafte Konzentrationswelle im Einzelhandel, sondern auch seine zunehmende Durchdringung durch die internationale Kapitalspekulation. Immobilienspekulanten setzen seit Jahren auf den Bau gigantischer Shoppingcenter, denen nach kleineren Einzelhändlern nun auch die großen Warenhausketten und deren Beschäftigte zum Opfer fallen.
Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Weltwirtschaftskrise allseitige Auswirkungen auf die Konzernbelegschaften der verschiedensten Branchen hat. Das Karussell von Übernahmen, Fusionen und Insolvenzen wird durch die Weltwirtschaftskrise beschleunigt. Statt sich auf Spekulationen einzulassen, dass diese oder jene Variante der Übernahmeschlacht weniger Arbeitsplätze kostet oder zumindest zu keinen Werksschließungen führt, kommt es umso mehr darauf an, dass sich die Belegschaften konzern- und branchenweit zusammen schließen. Gemeinsame Aktionen - auch über Ländergrenzen hinweg - wie bei Conti und Mahle zeigen, dass dieser Weg genau richtig ist (mehr dazu in der Druckausgabe der "Roten Fahne", die hier bestellt werden kann).