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Das britische Schauspiel des bürgerlichem Parlamentarismus

07.06.09 - Die britische Regierung unter Premierminister Gordon Brown wackelt. In wenigen Tagen verkündeten sechs Minister ihren Rücktritt. Ausgelöst wurde die offene politische Krise durch Spendenskandale, die täglich von einer Londoner Tageszeitung ans Licht gebracht werden. Es ist üblich, dass Minister und Parlamentarier aller Parteien im Unterhaus (dem gewählten englischen Parlament neben dem Oberhaus, in dem vor allem Adlige einen Sitz auf Lebenszeit haben) private Ausgaben als Vergütung für parlamentarische Verpflichtungen abrechnen.

Die lange Liste reicht von der Bezahlung bestellter Pornofilme für den Ehemann über Luxusfernseher für 8.000 Pfund und Wohnzuschüsse bis zur Anlegung von Gartenteichen. Die selben illustren Damen und Herren haben verfügt, dass ein Arbeitsloser mit 60 Pfund die Woche auskommen muss. Bei der Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen sind sie genauso wenig zimperlich wie bei der rücksichtslosen persönlichen Bereicherung.  

Großbritannien war von der Weltwirtschafts- und Finanzkrise von allen großen Industriestaaten gleich zu Beginn am Schärfsten betroffen. Über 500.000 Menschen haben im letzten halben Jahr ihren Arbeitsplatz verloren. Dabei war die offizielle Armut in England schon vor Beginn der Krise fast doppelt so hoch wie in Deutschland: Der Anteil der Kinder mit arbeitslosen Eltern lag nach offiziellen statistischen Angaben bei 16,7 Prozent (Deutschland 9,6 Prozent), die Altersarmut (Anteil der Armen über 65) bei 30 Prozent (Vergleich BRD: 17 Prozent.)

Angesichts der zu erwartendene Wahlklatsche haben 52 Abgeordnete den Antrag an die Königin gestellt, in das Oberhaus versetzt zu werden, wo man nicht auf Wählerstimmen angewiesen ist. Das entwürdigende Schauspiel im Mutterland der bürgerlichen Demokratie offenbart aber nur dessen Wesen. Dies brachte Lenin in seiner berühmten Schrift "Staat und Revolution" vor rund neunzig Jahren so auf den Punkt: "Einmal in mehreren Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament niederhalten und zertreten soll - das ist das wirkliche Wesen des bürgerlichen Parlamentarismus, nicht nur in den parlamentarisch-konstitutionellen Monarchien, sondern auch in den allerdemokratischsten Republiken." (Lenin, Werke, Band 25, Seite 435) 

Die herrschende Klasse - wie in Deutschland - besetzt zwar nicht die Mehrheit der Parlamentssitze selbst. Sie kann sich jedoch auf die Parlamentarier der bürgerlichen Parteien verlassen. Mit ihrer bürgerlichen Weltanschauung verteidigen diese die kapitalistische Ausbeuterordnung. Die wenigen Parlamentarier, die nicht bereit sind, die ganze bürgerliche Politik mitzumachen, sich nicht bestechen und korrumpieren zu lassen, werden ausgebootet oder als weltfremd diffamiert und auf Hinterbänke abgeschoben. 

Die MLPD verkörpert mit ihrer Teilnahme an bürgerlich-parlamentarischen Wahlen einen anderen - nämlich proletarischen - Parlamentarismus. Ihre Kandidaten werden auf der Grundlage des Vertrauens durch die Parteimitglieder aufgestellt und beziehen sich auf  Wählerinitiativen. In den Wahlgrundsätzen verpflichten sich die Kandidaten zur regelmäßigen Rechenschaft gegenüber den Wählerinitiativen, keine materiellen Vorteile durch Parlamentsposten anzunehmen und die demokratisch gefassten Beschlüsse der Wählerinitiativen in ihrer parlamentarischen Tätigkeit zu verfechten. Weil die Kandidaten der MLPD denen, die sie gewählt haben und nicht ihrem "Gewissen" verantwortlich sind, wird die MLPD von den bürgerlichen Parteien als verfassungswidrig und nicht zu den "demokratischen Parteien" wie ihresgleichen gezählt.