Politik
Gesetz zur Patientenverfügung- Menschenwürde im Mittelpunkt?
21.06.09: Nach mehrjähriger Debatte hat der Deutsche Bundestag am Donnerstag ein Gesetz beschlossen, das den Umgang mit so genannten Patientenverfügungen regelt. Volljährige können in einer schriftlichen Patientenverfügung im Voraus festlegen, ob und wie sie später ärztlich behandelt werden wollen, wenn sie ihren Willen nicht mehr selbst äußern können.
Künftig sind Betreuer und Bevollmächtigter im Fall der Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen an seine schriftliche Patientenverfügung gebunden. Ärzte müssen sich an eine solche Verfügung halten, wenn sie über lebensverlängernde Maßnahmen entscheiden, zum Beispiel bei Tumorpatienten im letzten Stadium. Danach gilt ein vorher schriftlich festgelegter Patientenwille in jedem Fall, unabhängig davon, ob die spätere Krankheit tödlich verläuft oder nicht.
Die Verfügung muss von einem zurechnungsfähigen Erwachsenen verfasst worden sein, in schriftlicher Form vorliegen, die Situationen, in denen Ärzte den speziellen Wünschen des Patienten folgen sollen, konkret beschreiben und nach Möglichkeit einen Vertrauten oder Bevollmächtigten benennen, der im Notfall die Durchsetzung der Verfügung überwacht. Rf-news sprach mit einem Arzt aus dem Ruhrgebiet, der auf 35 Jahre Berufserfahrung zurückgreifen kann:
„Ich begrüße es durchaus, dass über menschenwürdiges Sterben eine breite, öffentliche Diskussion geführt wird. Das Recht jedes Menschen, in Würde und selbstbestimmt sterben zu können, ist zu unterstützen. Jedoch ist es dann auch erforderlich, den Bereich der Palliativmedizin (Erhaltung der Lebensqualität bei weit fortgeschrittenen, tödlichen Erkrankungen) auszubauen. Die Gesundheitspolitk der Bundesregierung verfolgt aber eine entgegengesetzte Richtung. Pflegekräfte werden abgebaut, durch fortschreitende Privatisierung ist die Gewinnerwartung im Mittelpunkt und nicht die Linderung der Leiden des Patienten. Die Euphorie über das Gesetz teile ich nicht. Mit starren Regelungen wird der Fortschritt in der Medizin überhaupt nicht berücksichtigt.
Es gibt Fälle, in denen Menschen nach 3 Jahren aus dem Koma aufgewacht sind und heute ein normales Leben führen. Mit dem Gesetz wird zwar für den behandelnden Arzt eine gewisse Rechtssicherheit geschaffen, da er bei entsprechender Patientenverfügung nicht mehr befürchten muss, wegen fahrlässiger Tötung angeklagt zu werden, wenn der Patient stirbt. Aber über ein menschenwürdiges Leben und Sterben kann nicht mit bürokratischen Formularen und vorformulierten Textbausteinen des Bundesjustizministeriums entschieden werden. Als Arzt kann ich mich nicht der Verantwortung entziehen, gemeinsam mit dem Patienten und den nächststehenden Menschen eine Entscheidung zu treffen, wie die Behandlung weiterzuführen ist.“
Ausgerechnet die Bundesregierung, deren Sozialpolitk mit Menschenwürde überhaupt nichts gemein hat, will sich mit dem Gesetz nun in die Rolle der Schützer der Menschenwürde rücken. Während in der Vergangenheit der Tod von Menschen auch gegen ihren Willen durch so genannte „Apparatemedizin“ hinausgezögert wurde, weil es für die Krankenhäuser auch ein einträgliches Geschäft ist, wird nun eine andere Richtung eingeschlagen und Angst vor der „Apparatemedizin geschürt.
Kostendämpfung heisst das Programm, bei dem Kassenpatienten teure Medikamente und rücksichtsvolle Pflege verweigert werden. Man ist heute in der Lage, mit modernen Medikamenten in den meisten Fällen ein schmerz- und angstfreies Sterben zu ermöglichen und den Wunsch der Menschen, wie sie ihre letzten Tage gestalten wollen, weitgehend zu respektieren. Aber ein Gesundheitswesen, bei dem die Würde des Menschen von der Geburt bis zum Tod im Mittelpunkt steht, erfordert ein sozialistisches Gesellschaftssystem.