Politik

Internetsperren - wirksam gegen Kinderpornografie im Internet?

20.06.9 - Der Bundestag hat am Donnerstag mit 71prozentiger Mehrheit eine Änderung des Telemediengesetzes verabschiedet. Es soll künftig die Sperrung von Kinderpornografie im Internet regeln. Damit sollen Nutzer in Deutschland künftig ein Stoppschild sehen, wenn sie eine gesperrte Seite anklicken. Die Liste der gesperrten Seiten wird vom Bundeskriminalamt geführt. Das Gesetz ist selbst in den Reihen der bürgerlichen Parteien ob seiner Wirkung und Zielsetzung umstritten. Zu Recht erwarten viele Menschen, dass wirksam und mit aller Härte gegen Kinderpornografie vorgegangen wird. Sie ist Ausdruck einer zutiefst menschenverachtenden und extrem egoistisch rücksichtslosen Denkweise. Ein wirkliches Verbot kinderpornografischer Darstellung und ihrer Verbreitung hat die Regierung jedoch nicht vor.

Internetsperren sollen nun angeblich einen Damm errichten und den Zugang zu solchen Websites erschweren. Computerexperten haben aber bereits im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens aufgedeckt, dass die Internetsperren allenfalls im Internet unkundige Zufallsnutzer am Zugang von solchen Websites hindern können. Diejenigen, die bewusst und mit krimineller Energie das dreckige Geschäft betreiben und sich daran beteiligen, werden damit überhaupt nicht behindert, sondern können das mit Leichtigkeit umgehen. Online-Bürgerrechtsgruppen haben dagegen mehrfach bewiesen, dass die meisten Internet-Provider Kinderporno-Websites sofort entfernen, wenn sie über ihr Vorhandensein informiert werden. Dass das BKA hier nicht aktiv wird, zeigt, dass der Kampf gegen Kinderpornografie offenbar nur ein Vorwand ist.

Was weniger bekannt ist: die Sperr-Technik eröffnet die Möglichkeit einer Bespitzelung und auch Zensur politisch unliebsamer Websites und ihrer Nutzer. Das wären dann Zensurmaßnahmen auf Ebene der IP-Adressen, wie sie aktuell in China oder im Iran angewendet werden. So bemerkte die sonst unpolitische Computerzeitung C't in ihrer Ausgabe 9/09: "Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auch radikale politische Aussagen ausgeblendet werden sollen. Dann fehlt nur noch ein Gesetz, das jedes Umgehen der technischen Sperre unter Strafe stellt, und die Machthabenden haben ein perfektes Zensurwerkzeug."

Der Verdacht ist allzu berechtigt. Denn das Gesetz enthält keine Kriterien für die Sperrlisten des BKA und diese sind nicht öffentlich überprüfbar. Rf-news wurde bereits ein erster Fall der Sperrung einer politischen website gemeldet. Eine im Mai gestartete Online-Petition gegen das Gesetz erreichte binnen wenigen Wochen über 134.000 Mitunterzeichner. Die Initiatorin der Petition, Franziska Heine, erklärte, dass der Missbrauch von Kindern verhindert werden müsse. Sie forderte "Löschen statt Sperren". Die geplanten Änderungen des Telemediengesetzes sind dafür aber nicht geeignet. Stattdessen gefährdeten sie Informationsfreiheit im Internet. "Niemand kennt den Inhalt der Sperrlisten".
 
Während Leute wie Innenminister Wolfgang Schäuble und sein Regierungskabinett entrüstet mit dem Finger auf den Iran zeigen, bereiten sie die selben Unterdrückungsmaßnahmen hier unter dem verlogenen Vorwand des Kampfs gegen Kinderpornografie vor. Wachsamkeit ist also geboten, die Gesetzesänderung muss vom Tisch und der Kampf für die Verteidigung und Erweiterung demokratischer Freiheiten und Rechte gegen den Ausbau der Zensur- und Bespitzelungsmaßnahmen geführt werden! Gewaltverherrlichende und Kinderpornografie muss verfolgt und mit aller Härte bestraft werden!