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Kalifornien: Die Schatten des drohenden Staatsbankrotts werden länger
03.07.09 - Kalifornien, der amerikanische Bundesstaat, in dem das Silicon Valley schillerndes Symbol elektronischer Kommunikation wurde, wo Hollywood glitzert und die süßesten Früchte reifen, steht vor der Pleite. In "Gouvernator" Arnold Schwarzeneggers Haushaltskasse klafft bis Juni 2010 offiziell ein Loch von 26,3 Milliarden Dollar. Seit dem Wochenende hat die Regierung aufgehört, ihre Rechnungen an Lieferanten und Dienstleister zu bezahlen.
200.000 Staatsangestellte werden die Gehälter gekürzt und müssen zwei Tage unbezahlten Zwangsurlaub pro Monat nehmen, 5.000 droht unmittelbar die Entlassung, weitere 60.000 sollen folgen. 2.000 Bauvorhaben an Straßen, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen wurden auf Eis gelegt. Naturparks stehen vor der Schließung. Alles wird verscherbelt, was Geld bringt, darunter das Gefängnis San Quentin bei San Francisco und das Sportstadion in Los Angeles. Mehr als eine Mrd. Dollar soll der Verkauf einbringen.
Während die US-Regierung Milliarden Dollar in die Kassen der Banken und internationalen Konzernen leitet, wird bei Universitäten und Schulen gekürzt. In Kalifornien werden bis zu 47 Schüler in einer Schulklasse unterrichtet und allein in Los Angeles über 2.200 Lehrer entlassen. Zuschüsse an Alte, Blinde und Invaliden werden gekappt. 350.000 Kinder aus armen Familien werden ihre Krankenversicherung verlieren. Die Mehrwertsteuer soll um 1,5 Prozentpunkte steigen, und auch die Benzin-, die Kraftfahrzeug- und die Einkommenssteuer werden erhöht. Mit einem immer rücksichtsloseren Raubzug gegen das Volk soll die gigantische Umverteilung von unten nach oben organisiert werden.
Geplante Notmaßnahmen werden die Situation jedoch nur noch verschlimmern. Zusätzlich zu den erwarteten regulär notwendigen Zahlungen in Höhe von 10,9 Milliarden Dollar will der kalifornische Staat weitere Rechnungen mit den sogenannten IOUs bestreiten, also Art Schuldscheine ("I owe you" - "Ich schulde Ihnen"). Diese sind bereits gedruckt und sollen sich auf eine Höhe von 3,4 Milliarden Dollar belaufen. Faktisch ist das eine Aufblähung von Zahlungsmittel, die in den Geldkreislauf gepumpt werden. Das wird später die Inflation anheizen. Schon jetzt werden zur Begleichung dieser IOUs kräftige Steigerungen von Zinsen angekündigt.
In der Bevölkerung brodelt es. Bereits Mitte Mai gingen Tausende Schüler in Los Angeles auf die Straße, um gegen die angekündigten Mittelkürzungen für die Schulen im Bezirk zu demonstrieren. Nach landesweiten Protesten von Schülern, Eltern und Lehrer sind am 27. Mai neun Lehrer in einen Hungerstreik getreten. 5.000 Menschen demonstrierten am gleichen Tag gegen die vorgesehenen Kürzungen im staatlichen Programm für die häuslichen Pflege. Vorgestern gingen in Sacramento 8.000 gewerkschaftlich organisierte Staatsangestellte auf die Straße.
Die Demokraten in der parlamentarischen Opposition wollen ein Anschwellen der Massenproteste vermeiden. Das könnte auch das Image der Regierung Barack Obama beschädigen. Sie haben den Haushaltsentwurf der Regierung abgelehnt. Die Los Angeles Times schrieb zu den Schein-Alternativen der Demokraten und Republikaner: Sie haben "... uns auf den Weg in Richtung zweier möglicher Katastrophen gesetzt, von denen sie wohl glauben, dass sie niemals eintreten: Einen Aufstand der Wähler ... oder den Staatsbankrott, der die Rezession um ein Jahrzehnt verlängern wird".
Der Bundesstaat Kalifornien steht in den USA nicht alleine da. Beinahe jeder US-Staat beklagt riesige Einnahmeausfällen aufgrund eines rapiden Umsatzrückgangs in der Industrie. Wäre der Staat an der Westküste der USA unabhängig, hätte er das achtgrößte Bruttosozialprodukt der Welt. Weltweit führende Konzerne in Kalifornien wie Intel, Cisco oder Oracle entlassen massenhaft Beschäftigte.
Die Weltwirtschaftskrise bedroht nun offenbar nicht nur relativ kleine bzw. arme Länder wie Pakistan, Lettland, Island oder Ungarn mit dem Staatsbankrott, sondern wirft auch ihren Schatten auf die hoch entwickeltsten staatsmonopolistischen Länder der Welt. Für die Arbeiter- und Volksbewegung ist es wichtig, sich mit solchen Entwicklungen überall auf der Welt zu beschäftigen, um sich darauf einzustellen, was auf sie zukommt, und die richtige Entscheidung für ein offensives Vorgehen zu fällen.