Politik

Papst Benedikt - ein Gegner des Kapitalismus?

Papst Benedikt - ein Gegner des Kapitalismus?
Papst Benedikt XVI. (Quelle: Wikipedia)

11.07.09 - Papst Benedikt XVI., der noch vor einem halben Jahr wegen seiner Duldung der erzreaktionären und den Faschismus verharmlosenden "Piusbruderschaft" massiv in die öffentliche Kritik geriet, gab einen Tag vor dem G8-Gipfel eine so genannte Sozial-Enzyklika mit dem bezeichnenden Titel "Caritas in Veritate" ("Liebe in Wahrheit") heraus. Mit der "Liebe zur Wahrheit" hatte es der Papst alias Josef Ratzinger in der Vergangenheit nicht immer so genau genommen. Jetzt geißelt er in der Enzyklika unter anderem das "Profitstreben um jeden Preis". Weiter heißt es darin, "Gier" habe den schlimmsten Abschwung seit der großen Depression von 1929 herbeigeführt. Die Wirtschaft brauche eine menschenfreundliche Ethik, um zu funktionieren.

Oh Wunder, jetzt gibt es die "Kapitalismus-Kritik" also auch mit himmlischem Segen. Aber warum soll der Papst nicht können, was vor ihm schon US-Präsident Barack Obama, Bundespräsident Horst Köhler oder IG-Metall-Chef Berthold Huber getan haben? Alle haben sie die "Gier" einiger Finanzspekulanten und "maßlosen" Banker als Verursacher der Krise ausgemacht, die es zukünftig zu zügeln gelte.

Dazu schreiben wir dem Papst das folgende - ganz irdisch klingende - Zitat aus der neuen Broschüre der MLPD "Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen. Einige Ergänzungen zur marxistisch-leninistischen Krisentheorie" ins Stammbuch: "Wenn die Kapitalisten 'ohne Maß und soziale Verantwortung' handeln, dann nicht einfach aus bösem Willen. Der Kapitalismus kann nur existieren, indem er ständig Kapital akkumuliert... Das Gesetz der Konkurrenz zwingt die Kapitalisten, die lebendige Arbeit produktiver zu machen und durch Maschinen zu ersetzen. Diese höhere organische Zusammensetzung des Kapitals führt zwar zu Einsparungen bei den Löhnen und gesteigerter Ausbeutung der Arbeiter, während die Summe der unbezahlten Mehrarbeit wächst.

Sie bedeutet aber zugleich, dass mehr Kapital für Investitionen in Maschinen angelegt werden muss. Dadurch verschlechtert sich das Verhältnis von eingesetztem Kapital und erzieltem Profit. Um diesem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken, müssen die Kapitalisten die Profitmasse steigern, indem sie die Produktion als Ganzes ausdehnen und immer mehr Arbeiter in die Lohnarbeit einbeziehen bzw. ihre lebendige Arbeitszeit fortwährend ausdehnen... Wer die kapitalistischen Krisen abschaffen will, darf nicht an ihren Symptomen herumdoktern, sondern muss den Kapitalismus abschaffen und den Sozialismus errichten!"

Den Blick auf diese sozialistische Perspektive zu verstellen, das ist das Hauptanliegen der päpstlichen Enzyklika. Der Papst kritisiert Flüchtlingsströme, Umweltzerstörung und Hungersnöte und appelliert ausgerechnet an die "führenden Industrienationen", hier für Abhilfe zu sorgen, indem zum Beispiel die Entwicklungshilfe aufgestockt wird. Es darf bezweifelt werden, ob sein Bitten hieran etwas ändert, sind es doch gerade die führenden imperialistischen Länder und internationalen Monopole, die die Entwicklungsländer z.B. durch Privatisierung und Aufkauf von deren bisher staatlichen Wirtschaftssektoren ausplündern. 

Mit seiner neuen Enzyklika knüpft Benedikt an der Tradition solcher päpstlicher Lehrschreiben an, die zu grundlegenden theologischen und gesellschaftlichen Fragen verbindlich den Standpunkt der katholischen Kirche festlegen. Die erste Enzyklika wurde 1891 von Papst Leo XIII., dem Begründer der "Katholischen Soziallehre" herausgegeben.

Unter dem Titel "Rerum Novarum" ("Über die neuen Dinge") äußerte er sich darin erstmals zur Lage der Arbeiterklasse, beklagt deren oft sklavenähnliche Lage, wendet sich vor allem aber gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung und plädiert für eine Klassenzusammenarbeit von Unternehmern und Arbeitern. Die Angst vor der Revolutionierung der Arbeiter und breiten Massen scheint auch Papst Benedikt XVI. die Feder bei seiner neuen Enzyklika diktiert zu haben.