MLPD
Unvereinbarkeitsbeschlüsse in der IG Metall: "Es ist höchste Zeit, dass der antikommunistische Spuk beendet wird"
16.07.09 - Bereits am 11. Juni schrieb der Verantwortliche im Zentralkomitee der MLPD für Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Reinhard Funk, einen Brief an den Vorstand der IG Metall, den wir hier im vollen Wortlaut dokumentieren:
Werte Kollegen Berthold Huber und Detlef Wetzel!
Wir wenden uns heute an Euch in einer Zeit, in der die Einheit und Solidarität innerhalb unserer Gewerkschaften angesichts dramatischer wirtschaftlicher Einbrüche, einer weltweiten Banken-, Finanz- und Überproduktionskrise mit dramatischen Folgen für Millionen Beschäftigte, Arbeitslose und Rentner... wichtiger denn je geworden sind. Der 21. IG-Metall-Gewerkschaftstag 2007 hatte einige wichtige Signale gesetzt, wie zur Fortführung des Kampfs gegen die Rente mit 67, die Forderung zur Gleichstellung der Leiharbeiter, die Initiativen zur Erweiterung des Streikrechts und nicht zuletzt die Forderung nach dem Verbot aller faschistischen Parteien. Sehr bedeutsam war auch das klare Votum des IGM-Gewerkschaftstages, dass es an der Zeit ist, die undemokratischen Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen links, sprich die MLPD, endlich aufzuheben und die in der Vergangenheit ausgeschlossenen Mitglieder wieder in die IG Metall aufzunehmen. Dazu lagen immerhin vier Anträge aus Ortsverwaltungen der IG Metall vor. Nach einer Kontroverse, ob dies direkt noch auf dem Gewerkschaftstag beschlossen wird, oder ob die Beschlussfassung dem Vorstand übertragen werden soll, war eine knappe Mehrheit dafür, dies dem Vorstand zu überlassen, weil dieser ja den Beschluss gefasst und von daher auch für die Umsetzung verantwortlich sei. In der Sache selbst, dass die Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen links aufzuheben sind, war sich die große Mehrheit des Gewerkschaftstages einig - es gab keinen einzigen Beitrag, der für die Beibehaltung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse eintrat.
Umso verwunderlicher ist es, dass seit dem IGM-Gewerkschaftstag nun eineinhalb Jahre vergangen sind, ohne dass die dem Gewerkschaftstag dazu vorgelegenen Anträge bisher im Vorstand behandelt wurden. Und nicht nur das: Inzwischen hat der 1. Bevollmächtigte der IG Metall Essen, Kollege Neumann, gegenüber der engagierten und für ihre antifaschistische Gesinnung bekannten IG-Metall-VK-Leiterin von Kennametal-Widia und der Delegierten der IGM in Essen Yazgülü Kahraman-Meister, gegenüber dem Betriebsratskollegen und IGM Vertrauensmann Horst Dotten von ECS ein Gewerkschaftsausschlussverfahren angedroht. Ihr einziges "Vergehen" ist die Wahrnehmung des demokratischen Rechtes, für die "Offene Liste der MLPD" zu den Bundestagswahlen zu kandidieren. Das angedrohte Verfahren wird bezeichnenderweise mit dem formal noch immer existierenden Unvereinbarkeitsbeschlüssen gegenüber der MLPD begründet. Mit derselben Argumentation (Verweis an den existierenden Beschluss) wurde der Wiederaufnahmeantrag von Richard Heberle von Bosch Feuerbach von der Ortsverwaltung Stuttgart abgelehnt. Der Wiederaufnahmeantrag von Stefan Engel, dem Vorsitzenden der MLPD, der vor über einem Jahr nach dem IGM-Gewerkschaftstag von ihm an die Ortsverwaltung Gelsenkirchen gestellt wurde, wurde bisher nicht befasst.
Damit werden jedoch gegen den Willen des IGM-Gewerkschaftstages die antikommunistischen Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber der MLPD nicht nur aufrecht erhalten, sondern sogar ausdrücklich ausgebaut und angewandt.
Ich möchte Euch daran erinnern, dass die Argumentation der Antragskommission auf dem vorletzten Gewerkschaftstag, warum der Gewerkschaftstag die auch damals vorliegenden Anträge zur Abschaffung der Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber der MLPD nicht befasse solle, in der Behauptung bestand, dass diese in der Praxis sowieso keine Bedeutung mehr hätten, weil sie nicht angewendet würden.
Abgesehen davon, dass es ja kein Problem ist, Beschlüsse aufzuheben, die man in der Praxis sowieso nicht anwenden will, zeigt sich nun, dass die Beschlüsse alles andere als "praktisch erledigt" sind, ja im Gegenteil neu angewendet werden.
Ich möchte Euch daher auffordern, die Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber der MLPD endlich abzuschaffen und davon in der Vergangenheit betroffene Kolleginnen und Kollegen wieder in die IGM aufzunehmen.
Oder will der IGM-Vorstand sich tatsächlich über den Gewerkschaftstag und die Lehren der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung hinwegsetzen. Im Buch "90 Jahre Industriegewerkschaft Metall 1891 bis 1981" (herausgegeben von der IGM im Jahr 1981) heißt es im Geleitwort des früheren Vorsitzenden der IG Metall, Otto Brenner: "Wenn die nach 1945 entstandene einheitliche Gewerkschaftsbewegung ihre Aufgabe als konstituierendes Element einer neuen demokratischen Gesellschaftsordnung in Deutschland erfüllen wollte, so musste sie den Traditionen ebenso wie den geschichtlichen Irrtümern der alten Gewerkschaftsbewegung Rechnung tragen. Die erste Voraussetzung war, dass sie in der Form der von Regierungen, Verwaltungen, Unternehmern, Konfessionen und politischen Parteien unabhängige Einheitsgewerkschaft jene verhängnisvolle Spaltung der organisierten Arbeitnehmer in politisch und weltanschaulich orientierte Richtungsgewerkschaften überwand, die mit dazu beigetragen hatte, die Arbeiterbewegung vor 1933 zu schwächen und gegenüber dem heraufziehenden Unheil aktionsunfähig zu machen." (Hervorhebungen vom Verfasser des Briefes). Völlig zurecht hebt Otto Brenner die Bedeutung der Einheitsgewerkschaft und die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung vor 1933 hervor.
Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegenüber der MLPD und ihre Anwendung widersprechen nicht nur dem Grundgedanken der Einheitsgewerkschaft, den Aufträgen des 21. Gewerkschaftstags, sondern selbstredend auch den heute europaweit gesetzlich verankerten bürgerlich-demokratischen Rechten. Die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ist ein grundlegendes Koalitionsrecht, das unabhängig von der Parteizugehörigkeit und der Weltanschauung auf antifaschistischer Grundlage jeder Arbeiterin und jedem Arbeiter zusteht.
So heißt es selbst in dem vor einigen Jahren verabschiedeten "Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung" unmissverständlich: "§1: Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen."
Es ist höchste Zeit, dass dem Willen der klaren Mehrheit des Gewerkschaftstages Rechnung getragen und der antikommunistische Spuk in der IG Metall endlich beendet wird.
Mit solidarischen Grüßen
Reinhard Funk
(hier eine Faksimile des Briefs im pdf-Format)