Politik

Die Leiden der Frau Schickedanz

22.07.09 - Ein gerührtes Raunen ging letzte Woche durch den bürgerlichen Blätterwald: Madeleine Schickedanz, früher reichste Frau Deutschlands, steht offensichtlich buchstäblich vor dem Abgrund! "Bild am Sonntag" hat der Quelle-Erbin, Teilhaberin (26,6 Prozent) des insolventen Arcandor-Konzerns und krisengeschädigten Ex-Multimilliardärin die Gelegenheit gegeben, in einem Interview über ihre desaströse Lage zu informieren. Mutig trat sie den entwürdigenden Gang in die Öffentlichkeit an: "Wir leben von 500 bis 600 Euro". Nicht informiert wird der erschütterte Leser, ob oder wann Frau Schickedanz Hartz IV beantragen wird, sozusagen als "working poor", der ihre ganze, tägliche Mühsal nicht mehr zum Leben reicht. Sehen wir sie also bald am offenen Mikrofon einer Montagsdemo?

Was das heißt, wenn man so tief stürzt, kann sich der normale Mensch kaum vorstellen. Sie vermisse "vor allem die Festspielbesuche und die Musik in Bayreuth und Salzburg". Schrecklich, wenn so eine Kultur-beflissene Frau die paar Hundert Euro für eine Eintrittskarte nicht mehr aufbringen kann! Sie gehen inzwischen auch allenfalls mal zum "Italiener um die Ecke." "Das kostet dann keine 40 Euro."

Zur womöglich keineswegs erstklassigen Ernährung bei diesem Italiener kommt hinzu, dass sie jetzt auch gezwungen sei, beim Discounter einzukaufen (dort also, wo sie jederzeit riskiert, "ihre" Beschäftigten" anzutreffen)! Wäre es nicht einfacher für die arme Frau, direkt zur Tafel gehen? Und sie gibt auch zu, das nötige Gemüse, Obst und Kräuter kämen jetzt aus dem eigenen Garten - die Frage bleibt, aus welchem ihrer vier bescheidenen Anwesen: Aus dem in Fürth, in St. Moritz, in Spanien oder aus dem in Frankreich?

Frau Schickedanz (die Höhe ihres Privatvermögens ist nicht bekannt) beklagt in dieser anrührenden Weise den Verlust von über drei Milliarden Euro. Mal ehrlich: Wer von Ihnen/Euch hat so viel durch die Krise verloren? Also bitte etwas mehr Respekt! Immerhin sind ihre Arcandor-Aktien nur noch müde 27 Millionen Euro wert ... 

Dazu muss man wissen: Arcandor ist ein internationales Monopol mit im Jahr 2008 noch über 86.000 Arbeitern und Angestellten in ganz Europa. Das "Vermögen" der Dame geht zum einem großen Teil darauf zurück, dass sich ihr Vater Gustav Schickedanz als Hitler-Faschist an enteigneten Unternehmern jüdischen Glaubens bereicherte und sich deren Fabriken und Grundstücke unter den Nagel riss. 

Der Quelle-Konzern hat über Jahre unter Leitung von Frau Schickedanz und ihrer Manager einen regelrechten Kündigungsterror gegenüber kämpferischen Gewerkschafts- oder Betriebsrats-Kolleginnen entwickelt. Laut einer im Manager-Magazin im März veröffentlichten Umfrage unter "Fach- und Führungskräften" gilt Arcandor als "der unfairste Arbeitgeber Deutschlands". Warum sitzt denn überhaupt noch die ganze "feine Gesellschaft" der Milliardäre oder Ex-Milliardäre da oben den Arbeitern und Angestellten im Nacken?