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Warum Jugendliche in der Wirtschaftskrise zuerst auf die Straße fliegen
25.07.09 - Eine Analyse der Arbeitsmarktdaten der Bundesanstalt für Arbeit (BA) durch den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) kommt zu dem Ergebnis, dass die Jugendarbeitslosigkeit im letzten Jahr rund dreimal so stark wie die allgemeine Arbeitslosenquote angestiegen ist. Diese legte um 5,3 Prozent zu, während der Anstieg bei den 20- bis 24-Jährigen 16,1 Prozent beträgt. In Bayern nahm die Zahl der arbeitssuchenden Jugendlichen sogar um 26 Prozent zu, in Nordrhein-Westfalen sind fast 85.000 Jugendliche ohne Arbeit, das sind 18,7 Prozent mehr als im Vorjahr!
Das ist vor allem das Ergebnis der massenhaften Entlassung von Leiharbeitern und befristet Beschäftigten, von denen ein großer Teil Jugendliche bzw. junge Erwachsene sind. Die Zahl junger Arbeitsloser ist allerdings auch deshalb so angestiegen, weil viele Auszubildende nach der Ausbildung direkt beim Arbeitsamt landen und die Zahl der Ausbildungsplätze selbst stark rückläufig ist. Die Zahl der Lehrstellen wird 2009 laut einer Studie des DGB im Vergleich zum Vorjahr um 50.000 auf 570.000 zurückgehen. Die Konzernspitzen gaben zum Beginn der Weltwirtschaftskrise vor, dass sie Produktionsrückgänge angeblich im "Interesse der Mitarbeiter" mit Urlaub, Kurzarbeit und ähnlichem überbrücken wollen.
Dabei lassen sie jedoch vornehm unter den Tisch fallen, dass sie seit Anfang des Jahres rund 300.000 vor allem junge Leiharbeiter - ohne großes Aufsehen in der bürgerlichen Presse - auf die Straße gesetzt haben. Wenn die Zeitarbeitsfirmen für sie nicht unmittelbar einen Arbeitsplatz vermitteln konnten, erhielten sie in der Regel auch von ihnen die Kündigung. Die Zeitarbeitsbranche rechnet nach eigenen Aussagen damit, dass im Jahr 2009 noch über 250.000 Leiharbeiter ihren Job verlieren werden. Weil die jungen Leiharbeiter oftmals nicht lange genug arbeiten konnten bzw. zu wenig verdient haben, um Arbeitslosengeld zu beziehen, müssen viele direkt Hartz-IV-Gelder beantragen.
Die Ausweitung der Leiharbeit war ein Kernstück der Hartz-Gesetze zur Schaffung eines "flexiblen Arbeitsmarktes". Seitdem werden zunehmend mehr junge Leute nach der Ausbildung von den Vorständen der Großkonzerne erpresst, indem sie vor die "Alternative" gestellt werden: "Leiharbeit oder Arbeitsamt". Jeder Zweite wird heutzutage nach der Ausbildung nicht in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen, sondern nur befristet oder - in zum Teil den Großkonzernen angegliederte - Leiharbeitsfirmen gezwungen. Schon 2006 waren 43 Prozent aller Neueinstellungen befristet. Mehr als jeder Zweite unter 30 Jahren hatte heute schon mindestens einen befristeten Arbeitsvertrag, 15 Prozent hatten mindestens einmal einen Leiharbeitsvertrag.
Der Zusammenhalt zwischen Leiharbeitern und Stammbelegschaft ist daher nicht nur ein Frage der Herstellung einer Kampfeinheit der Belegschaften. Er berührt auch die Verantwortung der Arbeiterklasse für die Zukunft ihrer Jugend. Auch in der Krise sind deshalb die Forderungen nach Umwandlung aller befristeten Arbeitsverträge in unbefristete, nach Festeinstellung der Leiharbeiter sowie für die unbefristete Übernahme aller Lehrlinge entsprechend der Ausbildung hoch aktuell.