Politik
Offensivgeist gewinnt - auch vor Gericht!
29.07.09 - 2:0 heißt es jetzt für die Montagsdemonstration Stuttgart! Anschaulich berichtet ein Korrespondent: "Ein Strafbefehl von 600 Euro sollte der Versammlungsleiterin der Stuttgarter Montagsdemonstration, Nuran Cakmakli, aufgebrummt werden, weil angebliche Auflagen nicht erfüllt worden seien. So hatte die Montagsdemonstration sich, wie schon mehr als 230 mal vorher, an ihrem üblichen Ort auf dem Schlossplatz versammelt - das Amt für öffentliche Ordnung hatte einen zirka 50 Meter davon entfernten Ort vorgesehen.
Peinlich nur, dass sich nun herausstellte, dass die Montagsdemonstration in doppeltem Sinn am 'richtigen Ort' demonstrierte. Denn das Amt hatte den falschen Plan angeheftet - wie die herbeizitierte Sachbearbeiterin als Zeugin bestätigte. Was auf den ersten Blick nur als lautes Wiehern des Amtschimmels erscheint, ist in Wirklichkeit der wiederholte Versuch der Einschränkung der Versammlungsfreiheit.
Die Einstellung des Verfahrens auf Kosten der Staatskasse ist jedoch schon die zweite Niederlage des Stuttgarter Amts für öffentliche Ordnung. 2006 hatte es versucht, den Gebrauch einer Lautsprecherablage erst ab 50 Teilnehmern zu genehmigen und war schon damit auf der Nase gelandet. Jedem Versuch, das Versammmlungsrecht einzuschränken, muss auch in Zukunft offensiv entgegen getreten werden."
Der Prozess war in mehrfacher Hinsicht ein Lehrstück in Sachen Klassenjustiz und der Wirkung offensiven Auftretens: "Als eine ältere Montagsdemonstrantin bei den Fragen an die 'Angeklagte' Nuran Cakmakli nach ganz Persönlichem wie ihrem monatlichen Einkommen und der Ausbildung ihres Sohnes empört einwarf, dass das doch nicht in die Öffentlichkeit gehöre, schnauzte sie die Richterin an: 'Wenn Sie nicht sofort ruhig sind, schmeiße ich Sie raus!' Und griff zum Telefonhörer und forderte dringend 'mindestens zwei Vollzugsbeamte' an. ... Die Montagsdemonstrantin freilich erklärte am Abend auf der Kundgebung: 'Wenn sie mich aufgefordert hätte, den Saal zu verlassen, ich wäre nicht gegangen. Ich hätte gesagt, dann müssen Sie mich schon raus tragen.'"
Neben Mitstreitern der Montagsdemo saß da auch eine 8. Klasse einer Realschule mit ihrer Lehrerin. Sie konnten gut beobachten, wie man sich in unserer "Demokratie" auch das kleinste demokratische Recht zum Teil tatsächlich erst erstreiten muss. So erlebten sie, wie Nuran Cakmakli durchsetzte, erst einmal etwas zu den Zielen der Montagsdemo zu sagen und wie sehr die Hartz–Gesetze gerade die Jugendarmut anwachsen ließen. Richterin und Staatsanwalt wollten sie permanent durch Gesten und Worte davon abhalten wollten, weil das angeblich nicht zur Sache gehöre.
Ein weiteres Beispiel für "Offensivgeist gewinnt!" ist die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Erfurt, die Revision im "Fall Emmely" nun doch zuzulassen. Aufgrund der bundesweiten Solidarität mit "Emmely" wird nunmehr das Skandalurteil gegen sie nochmals überprüft. Die inzwischen 51 Jahre alte Mutter von drei Kindern war im Februar 2008 nach 31 Jahren Betriebszugehörigkeit vom Kaiser’s-Tengelmann-Konzern fristlos gekündigt worden, weil sie angeblich zwei Leergutbons im Gesamtwert von 1,30 Euro unterschlagen haben soll - selbst das konnte man ihr jedoch nicht beweisen.
Solche "Verdachtskündigungen" seien rechtens, begründete die Richterin des Landesarbeitsgerichts Berlin ihr hanebüchenes Urteil. Die Bestätigung der politisch motivierten Kündigung gegen die aktive Gewerkschafterin wie die Begründung hat über Deutschland hinaus für Empörung und eine breite Solidaritätsbewegung gesorgt. So steht jetzt die reaktionäre Arbeitsgerichtspraxis insgesamt am Pranger. Jede weitere reaktionäre Verschärfung des Arbeitsrechts muss entschieden bekämpft werden.
Vollkommen zu Recht stellt das Komitee "Solidarität mit Emmely" die gesellschaftliche Bedeutung des anstehenden Revisionsprozesses in einer Presseerklärung heraus: "In Zeiten, wo um Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen mit harten Bandagen gekämpft wird, ist es wichtig, dass engagierte Beschäftigte nicht aufgrund von Bagatellvorwürfen gekündigt werden können."