Politik
Verzweiflungstat eines Kandidaten
03.08.09 - Frank-Walter Steinmeier, Kanzler-Kandidat der SPD, holt zum finalen Rettungsschlag aus. Die Umfragewerte für die SPD sind katastrophal, letzte Woche auch noch das Dienstwagen-Desaster mit Ulla Schmidt - verzweifelt sucht die SPD-Führung nach einem "Aufschwung". Vor dem Start in seine Wahlkampf-Sommerreise stellt Steinmeier heute in Berlin seinen "Deutschland-Plan" mit dem Titel "Die Arbeit von morgen" vor. "Bis 2020 wollen wir die Arbeitslosigkeit besiegen", heißt es darin bescheiden und: "Wir zeigen, wie Deutschland mit kluger Politik im nächsten Jahrzehnt insgesamt vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen kann." Ganz offensichtlich hat die SPD jahrelang das falsche Führungspersonal gehabt - keiner der SPD-Großen kam bisher auf die Idee, als Wahlprogramm die Abschaffung der Arbeitslosigkeit, verbunden mit einer festen Jahresangabe, zu verkünden.
Nicht Gerhard Schröder (der sie ja nur halbieren wollte), nicht Franz Müntefering. Und nicht mal Schröders vergleichsweise dürftiges Konzept der Halbierung der Arbeitslosigkeit ist gelungen - im Gegenteil kamen unter seiner Regentschaft und der "Agenda 2010" Millionen Arbeitslose dazu. Zeit also für neue Perspektiven mit Frank-Walter Steinmeier!?
Den ersten Schritt zur Abschaffung der Arbeitslosigkeit hat Steinmeier selbst getan. Er beschäftigte Monate lang ein Team, das die 67 Seiten Zukunft ausarbeitete: Zwei Millionen Arbeitsplätze sollen in der Industrie dazukommen durch sparsamen Einsatz von Energie und Rohstoffen und durch die Förderung grüner Schlüsseltechnologien usw.; und die anderen zwei Millionen sollen in der Gesundheits- und "Kreativwirtschaft" (Medien, Kultur usw.) und im Handel entstehen.
Das große Dilemma des Visionärs: Hohn und Spott, keiner glaubt mehr solchen völlig unrealistischen Versprechungen. Die einzigen Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl, die unter Mitwirkung der SPD in den letzten Jahren geschaffen wurden, sind in der Leih- und Zeitarbeit und die Ein-Euro-Jobs. Und dadurch wurde den Unternehmen der Weg geebnet, reguläre Arbeitsplätze im großen Stil zu vernichten! Steinmeiers Generalsekretär Hubertus Heil hat heute auch direkt zurück gerudert: "Keine Partei, kein Politiker kann versprechen, dass man die Arbeitslosigkeit dermaßen senkt, sondern es ist ein politisches Ziel."
Tatsache ist entgegen aller Wahlkampf-Lügen, dass sich die Folgen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise erst noch richtig entfalten werden. Die Arbeitslosigkeit wird erheblich steigen, die Kurzarbeit wird das nicht auf lange Sicht mehr "abfedern" können. Bis Jahresende wird eine Staatsverschuldung von 1,7 Billionen Euro erwartet und allein den Sozialkassen werden nach neueren Berechnungen bis Ende 2010 an die 30 Milliarden Euro fehlen!
Die bürgerlichen Parteien sind sich einig darin, im Wahlkampf die zu erwartenden Krisenfolgen herunterzuspielen. Auch CDU-Merkel gefällt sich in Andeutungen, dass die Sozialkassen ja wieder gefüllt würden bei einem entsprechenden wirtschaftlichen Wachstum usw. Geplant ist in Wirklichkeit, nach den Wahlen die Krisenlasten noch wesentlich unverfrorener auf die Masse der Bevölkerung abzuladen: Kürzungen bei Hartz IV, Lohnsenkungen, Mehrwertsteuerhöhung, höheres Rentenalter, Arbeitszeitverlängerung - das ist das Konzept dieser Parteien (dazu ausführlich die nächste "Rote Fahne" - sie kann hier bestellt werden).
"Nach den Wahlen kommt das Zahlen" - darüber sind sich immer mehr Leute im Klaren. Derzeit feiern im ganzen Land die Montagsdemos ihr fünfjähriges Bestehen. Herzlichen Glückwunsch an diese mutige, konsequente und kämpferische Bewegung - sie wird dringend gebraucht und jeder, der den Wahlkampflügen misstraut, sollte sich ihr anschließen!