Politik
Von wegen "Piratenbekämpfung": Was Verteidigungsminister Jung mit seiner Verfassungsänderung wirklich will ...
10.08.09 - In den Fokus der öffentlichen Auseinandersetzung gerät immer mehr, was nach den Bundestagswahlen von Regierungsseite aus geplant ist - und das beschränkt sich keineswegs auf ökonomische Angriffe. Angeblich erschüttert von den Schiffsentführungen und Geiselnahmen durch Piraten am Horn von Afrika will Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) eine Verfassungsänderung, "die der Bundeswehr den Zugriff ermöglicht, wenn die Polizei nicht handeln kann". Diese Diskussion sei nach der Bundestagswahl "auch mit Blick auf bestimmte Situationen im Inneren" zu führen.
Dass es bei diesen "bestimmten Situationen" in erster Linie um Schiffsentführungen und Geiselnahmen am Horn von Afrika geht, ist völliger Unsinn. Erstens gibt es dafür längst Spezialeinheiten der Bundespolizei (GSG 9) und der Bundeswehr (KSK). Zweitens warnen sämtliche Experten vor solchen Einsätzen, weil damit nur ein Blutbad angerichtet würde.
Jungs erneuter Vorstoß macht nur einen Sinn, wenn es dabei um großflächige Aufstandsbekämpfung geht. Nachdem die 1968 beschlossenen Notstandsgesetze den Bundeswehreinsatz bereits zur "Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer" vorsehen, sollen die Möglichkeiten dazu nun abermals erweitert werden. Was hier hinter den Kulissen ausgeheckt wird, zeigt das Beispiel des "Celler Dialog", eines sicherheits- und außenpolitischen Diskussionsforums mit 160 Vertretern von Wirtschaft, Politik und Bundeswehr, das vom 8. bis 10. Juli 2009 tagte.
Ein Flugblatt des "Bündnis gegen den Celler Trialog, Militarismus und Krieg" deckt auf: "Unter den Schlagwörtern 'Vernetzte Sicherheit' und 'zivil-militärische Zusammenarbeit' (ZMZ) werden seit 2007 unter anderem flächendeckend 'Verbindungskommandos' aufgebaut, die in 'Krisensituationen' ... die bestehende Gesellschaftsordnung und speziell so genannte 'kritische Infrastruktur' vor anbrechenden Katastrophen schützen sollen."
Wenn man das in Zusammenhang bringt mit der ersten Großoffensive der Bundeswehr seit dem II. Weltkrieg zur Aufstandsbekämpfung in Afghanistan, wird deutlich, wohin der Hase nach der Bundestagswahl laufen soll. Allerdings haben sich schon mehrere Vorstöße von Verteidigungsminister Jung und Innenminister Wolfgang Schäuble, Aufstandsbekämpfungseinsätze der Bundeswehr im Inneren uneingeschränkt zu ermöglichen, als politisch nicht durchsetzbar erwiesen. Das soll sich nun offenbar ändern.
Umso wichtiger, diese Pläne und den Widerstand dagegen am bevorstehenden Antikriegstag zu einem zentralen Thema zu machen. Die MLPD tritt dafür auch mit ihrem Wahlkampf zur Bundestagswahl ein. Sie fordert den "Rückzug aller deutschen Truppen aus dem Ausland" und entgegen der geplanten Faschisierung des Staatsapparats "mehr demokratische Rechte und Freiheiten".