Politik
Die Berliner S-Bahn - Chaos mit System
18.08.09 - Begeisternde, spannende Berichte sind zurzeit zu sehen von den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin. Weniger begeisternd sind allerdings andere Nachrichten aus Berlin: Die Privatisierungspolitik und die Ausrichtung der Deutschen Bahn auf den Börsengang haben bei der Berliner S-Bahn Verhältnisse geschaffen, wo sehenden Auges schwere Unfälle in Kauf genommen werden und Menschen zu Schaden kommen. Ein Ausbesserungswerk wurde geschlossen, Kollegen wurden abgebaut, die Wartungsintervalle willkürlich von 3.000 auf 6.000 Kilometer erhöht, weitere Sicherheitsstandards auf direkte Anweisung des Managements außer Kraft gesetzt. Selbst das Eisenbahnbundesamt sah sich gezwungen, zu handeln.
Drei Viertel der S-Bahn-Züge wurden mit sofortiger Wirkung stillgelegt, was ein fürchterliches Chaos in der größten Stadt in Deutschland zur Folge hat. Gebetsmühlenartig bestritten die Manager der Bahn, dass dies die unweigerliche Folge ihrer Kahlschlagpolitik und Profitgier ist. Aus der gleichen Denkweise entspringt auch, dass die Zulieferer der Bahn, hauptsächlich Siemens und Bombardier, die Qualität der Radsätze so weit gedrückt haben, dass sie den Belastungen nicht mehr ausreichend standhalten und Risse entstanden.
Diese Frage ist allerdings ganz schnell aus den Schlagzeilen verschwunden. Stattdessen wurde eine ungeheure Hetze gegen die Beschäftigten der S-Bahn angefangen, angeblich seien sie es, die nicht genügend auf die Vorgaben achten würden. Beschäftigte und Berliner waren restlos empört über diesen dreisten Versuch, die Verantwortung abzuwälzen. Schnell ruderte man zurück, wohl auch im Hinblick auf die anstehende Wahl. Dem breiten Unmut Rechnung tragend kamen Schlagzeilen wie "Manager müssen gehen". Es ist jedoch reiner Betrug: Alle beteiligten Manager sind jetzt eine Etage höher untergebracht und so für ihr Handeln noch belohnt worden.
Um mit aller Macht Transportkapazität für die Leichtathletikmeisterschaft zu schaffen, wurde und wird alles rigoros auf dem Rücken der Beschäftigten und Passagiere ausgetragen. Kurzarbeit wegen stillgelegter Züge und auf der anderen Seite wird in den viel zu geringen Werkstätten rund um die Uhr geknüppelt und werden den Kollegen Überstunden abverlangt. Gleichzeitig ist bereits angekündigt, dass 400 weitere Stellen zur Streichung anstehen.
Da platzte den Kollegen der Kragen und sie forderten völlig zu Recht von ihrer Gewerkschaft Kampfmaßnahmen und Streik. Viele waren überrascht von der Entschlossenheit der S-Bahner: die Politiker im Berliner Senat, das Management, die Gewerkschaftsführer und selbst der Betriebsrat. Hastig wurde die Ankündigung zurückgenommen und Zuschläge bezahlt.
Die Beschäftigten im öffentlichen Transportwesen gehören zu einem wachsenden Teil zum weltweiten Industrieproletariat. Mit ihrer Arbeit erbringen sie tagtäglich eine logistische Meisterleistung. Im Kapitalismus allerdings führt die Unterordnung der ganzen Gesellschaft inklusive der Logistik unter die Profitinteressen der Monopole tagtäglich zu neuem Chaos.