Politik
Armutszeugnis für die Berliner Familienpolitik
02.09.09 - Eine neue Studie der OECD stellt der Bundesregierung ein Armutszeugnis für ihre Familienpolitik aus. Fast jedes sechste Kind lebt im reichen Deutschland in so genannter "relativer Armut". Das sind wesentlich mehr als in vielen anderen - auch kleineren und ärmeren - Ländern. Wenn eine Familie über weniger als die Hälfte (in anderen Berechnungen über weniger als 60 Prozent) des Durchschnittseinkommens verfügt, dann gilt sie als arm. Der Pferdefuß bei dieser bürgerlichen Berechnungsmethode: Sinkt das Durchschnittseinkommen, sinkt auch die "Armutsgrenze" und damit der Kreis der statistisch einberechneten Personen.
Nicht zuletzt durch Hartz IV und die massenhafte Einführung von Niedriglöhnen ist in den letzten Jahren das Durchschnittseinkommen gesunken und liegt nach Angaben des statistischen Bundesamtes pro Person gegenwärtig bei 1.213 Euro. Die offizielle Armut fängt also bei 607 Euro an – und hört dort noch lange nicht auf.
Zwar brüstet sich die Bundesregierung damit, dass der deutsche Staat für jedes Kind bis zu seinem 18. Lebensjahr 100.000 Euro zur Verfügung stelle. Aber dieses Geld kommt gemäß der bürgerlichen Familienordnung über Kindergeld und Steuerbegünstigungen wohlhabenden Leuten oftmals sogar noch stärker zugute als Familien mit geringerem Einkommen. So kommt selbst die Leiterin der Abteilung für Sozialpolitik der OECD, Monika Queisser, zu dem Schluss: "Deutschland sollte seine Transfers stärker auf bedürftige Kinder konzentrieren." Die Studie weist auch die vielfältige Benachteiligung der armen Kinder - vom Sport bis zur Bildung und Gesundheit nach.
Das größte Armutsrisiko - sogar mit wachsender Tendenz - haben Alleinerziehende: 40 Prozent dieser Familien fallen in Deutschland unter die Armutsgrenze – im OECD-Schnitt sind das 30 Prozent. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass hierzulande Betreuungs- und Bildungsangebote nach wie vor schlecht und vielfach sehr teuer sind. Auch berufstätigen Müttern bleiben oft nur Minijobs oder schlecht bezahlte Teilzeitarbeit.
Neben der Forderung nach kostenlosen und qualitativ guten Betreuungs- und Bildungseinrichtungen - von der Kinderkrippe bis zur Universität - gehört deshalb die Durchsetzung eines Mindestlohns von 10 Euro und der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich auch im Kampf gegen Kinderarmut auf die Tagesordnung.