Frauen
"Brigitte" ohne Magermodels
06.10.09 - Die mit fast 720.000 verkauften Exemplaren auflagenstärkste Frauenzeitschrift Deutschlands "Brigitte" hat angekündigt, künftig keine Magermodels für ihre Modeaufnahmen mehr zu verpflichten. Es ist zu begrüßen, dass dem Trend entgegengetreten wird, neue Mode fast ausschließlich an Models vorzuführen, die nur noch aus Haut und Knochen bestehen. Zusammen mit entsprechend hochgepuschten Fernseh-Castingshows wird damit ein Schönheitsideal propagiert, das Frauen und besonders junge Mädchen massiv unter Druck setzt. Eine Denkweise, sich nur um das eigene Aussehen zu drehen, sich vorgegebenen Maßstäben und der damit verbundenen Konkurrenz zwanghaft anzupassen und die gesellschaftliche Realität regelrecht auszublenden, wird auf diese Weise massiv gefördert.
Es ist unbestritten, dass solche "Vorbilder" neben anderen Faktoren zur Zunahme der Magersucht beitragen, einer Krankheit, bei der sich immer mehr junge Frauen - aber auch Männer - regelrecht zu Tode hungern. Solche zerstörerischen "Schönheitsideale" sind vor allem eine Seite des immer weiter verbreiteten Sexismus, mit dem die Denkweise, insbesondere der Jugend, regelrecht vergiftet wird.
Völlig berechtigt gibt es von vielen Eltern, selbstbewussten Frauen und auch von der kämpferischen Frauenbewegung massive Kritik daran, was ihnen als Schönheitsideal vorgesetzt wird - aber auch daran, wie fern die schöne, heile Modewelt von ihrer Realität entfernt ist. Dem trägt "Brigitte" nun Rechnung, weil, wie Chefredakteur Andreas Lebert in der "Frankfurter Rundschau" vom 6. Oktober erklärt, "Frauen sich verändert" haben und "keine Models als Platzhalter brauchen", weil sie "alles selber machen". "Brigitte" will verstärkt Laienmodels engagieren und nur noch zu rund 3 Prozent auf professionelle Models zurückgreifen.
Wenn allerdings dieser Schritt vom "Brigitte"-Chefredakteur als "größte redaktionelle Revolution ihrer Geschichte" angekündigt wird, mit der er "den gesamten Frauenzeitschriftenmarkt aufrütteln" will, wird auch deutlich, dass hier ein neuer Werbegag in Gang gesetzt wird. Schließlich sinken die Auflagen und Werbeeinnahmen der Zeitschriftenindustrie im Zeichen der Krise erheblich. Der Einzelverkauf von "Brigitte" ist in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent und die Abonnentenzahl um 17 Prozent geschrumpft. Da muss nach neuer Kundschaft Ausschau gehalten werden.
Wirkliche Vorbilder für kämpferische, selbstbewusste und nicht zuletzt deshalb schöne Mädchen und Frauen, die sich gemeinsam für eine bessere Zukunft engagieren, wird man vermutlich auch nach dieser "Revolution" doch eher selten in der "Brigitte" finden. Anzutreffen waren sie dagegen bei einem gut besuchten Workshop beim letzten Internationalen Pfingstjugendtreffen. Unter dem Titel "Schönheitswahn und Modelkult" entwickelten Frauen vom Frauenverband Courage aus Gelsenkirchen zusammen mit jungen Mädchen Kritiken daran, "wie wir sein sollen" und dagegen positive Vorstellungen: "So wollen wir sein!" Ein wichtiges Thema nicht nur - aber besonders für die Jugend- und Frauenbewegung.