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Schlappe vor dem Verfassungsgericht - Berlusconis "Freifahrtschein"-Gesetz gekippt
10.10.09 - Das nationale Verfassungsgericht Italiens erklärte am Mittwoch ein Gesetz für ungültig, das die vier höchsten Amtsträger des Landes vor Strafverfolgung schützen sollte, und hob die Immunität von Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi auf. Kurz nach seiner Wahl im April 2008 hatte Berlusconi das Gesetz vor allem zu seinem eigenen Schutz erlassen. Jetzt droht dem großen "Saubermann" die Wiederaufnahme mehrerer Prozesse wegen der Verwicklung in kriminelle Machenschaften. Es geht um Steuerhinterziehung beim Handel von Filmrechten der Privatsendergruppe Mediaset sowie um die mutmaßliche Bestechung von Oppositionspolitikern.
Wütend schnaubte Berlusconi nach dem Urteil, das ganze Land sei "links" und "kommunistisch unterwandert". Tatsächlich ist die Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht zuletzt ein Zugeständnis gegenüber dem sich auch in Italien wieder belebenden Linkstrend. Selbst ein Teil von Berlusconis Wählern wendet sich enttäuscht von der Regierung ab, die keines ihrer verlogenen Wahlversprechungen eingehalten hat.
Es sollte keine Steuererhöhung geben, dagegen eine Steuererleichterung auf Lohnzuschläge und für jedes Baby 1.000 Euro. Auch die Inflation sollte gestoppt werden. Nichts wurde verwirklicht. 2010 wird die Verschuldung des Staates auf 117,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hochschnellen und die Arbeitslosigkeit voraussichtlich auf über zehn Prozent ansteigen. Immer mehr Italiener sind von Armut betroffen.
Berlusconi kam 2008 nur durch die undemokratische Wahlbehinderung einer Vier-Prozent-Klausel für die Abgeordnetenkammer und einer Acht-Prozent-Hürde für den Senat auf die notwendige Parlamentsmehrheit. Millionen von Wählerstimmen wurden dadurch unterschlagen und das gesamte Stimmenverhältnis völlig verzerrt. Außerdem kam ihm der Wählerprotest gegen die vorhergehende Prodi-Regierung zugute, die aufgrund der Anhebung des Renteneintrittsalters, der gesetzlichen Ausdehnung von Zeit- und Leiharbeit sowie der Zerschlagung sozialer Leistungen massiv an Ansehen verloren hatte.
Doch gegen die volksfeindliche Politik der Regierung Berlusconi entwickelte sich bald der Widerstand in den Betrieben und auf der Straße. Im Oktober 2008 gingen in Rom mehrere Hunderttausend gegen die reaktionäre Bildungspolitik auf die Straße und traten in den Streik. Im gleichen Monat demonstrierten in Rom 300.000 Menschen gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung. Im Dezember 2008 folgten dem Aufruf der größten Gewerkschaftsorganisation CGIL zum Generalstreik gegen die Wirtschaftspolitik der italienischen Regierung in mehr als 100 Städten mehrere Hundertausend Menschen.
Anfang April 2009 demonstrierten in der italienischen Hauptstadt Rom 2,7 Millionen Menschen erneut gegen die Wirtschaftspolitik der Regierung Berlusconi. Und erst letzte Woche protestierten 300.000 Menschen in Rom gegen die Medienmacht von Berlusconi und seine Versuche, kritische linke Zeitungen mundtot zu machen, während er selbst durch ständige Sex-Skandale der Lächerlichkeit preisgegeben ist.
Die neue schwarz/gelbe Regierung in Berlin sollte sich gut merken, wie es dem im letzten Jahr noch triumphierenden Berlusconi mittlerweile ergeht. Das Beispiel Italien macht Mut, dem in Deutschland geplanten verschärften Regierungskurs von Anfang an mit einer kämpferischen Opposition auf der Straße und in den Betrieben zu begegnen und diese dabei weiter aufzubauen.