International
2009 - "Historisches Rekordjahr des Hungers"
15.10.09 - Jeder sechste Mensch weltweit hat nicht genug zu essen. Die Zahl der hungernden Menschen überstieg im Juni 2009 die Marke von einer Milliarde, wie die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO) am Mittwoch in Rom berichtete. Im Jahr 2009 hat damit der Hunger in der Welt ein Ausmaß erreicht wie nie zuvor. Und das trotz Rekordernten!
Die überwiegende Mehrheit der vom Hunger betroffenen Menschen lebt in Entwicklungsländern, die meisten von ihnen im Asien-Pazifik-Raum. Dort sind 642 Millionen Menschen unterernährt. In Afrika südlich der Sahara sind es 265 Millionen Menschen, in Lateinamerika 53 Millionen, im Nahen Osten und in Nordafrika insgesamt 42 Millionen. In den Industrienationen leiden 15 Millionen Menschen Hunger. Frauen leiden dabei überproportional häufig an Unterernährung: 70 Prozent der Hungernden auf der Welt sind weiblich.
Erst im Juni 2008 verkündeten alle 190 Regierungsvertreter im Schlussdokument eines "Ernährungsgipfels" in Rom großspurig, "den Hunger auszurotten und Nahrungsmittel für alle zu sichern". Seitdem hat die Zahl der Hungernden um über 60 Millionen zugenommen! Seit vier Jahrzehnten werden weltweit mehr Lebensmittel produziert, als für die Versorgung aller Menschen nötig wäre. 12 Milliarden Menschen könnten bei dem gegenwärtigen Stand der technischen und ökonomischen Möglichkeiten ernährt werden. Dem steht aber das Profitdiktat des Kapitalismus entgegen, das selbst die Existenzgrundlagen der Menschheit angreift.
Der skandalöse Hunger-Rekord ist Ergebnis spekulativ in die Höhe getriebener Preise für Grundnahrungsmittel in Verbindung mit der Abwälzung der Folgen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf die Entwicklungsländer. Die Spekulation konzentriert sich auf Reis, Mais und Weizen. Hier wurden im letzten Jahr 30 Prozent mehr von den Agrarmonopolen aufgekauft, um die Preise in die Höhe zu treiben. Nun stürzen die armen Familien wegen gestiegener Grundnahrungsmittelpreise, ständig sinkender Einkommen und wachsender Arbeitslosigkeit immer tiefer in die Hunger-Armut.
Der seit Jahresbeginn um 67 Prozent gestiegene Ölpreis hat dazu geführt, dass wieder mehr landwirtschaftliche Flächen zum Anbau von Pflanzen für Biotreibstoffe wie Soja oder Mais genutzt – und damit der Nahrungsmittelproduktion entzogen werden. In der Folge stieg in z.B. in Peru der Preis für eine Tonne Weizen von 580 auf 610 US-Dollar. Die Produktion von Biosprit ist für bis zu 75 Prozent der Teuerung bei den Nahrungsmitteln verantwortlich!
Zu den Agrar-Investitionen in Afrika sagt Michael Windfuhr, Leiter des Referats Menschenrechte bei "Brot für die Welt": "Es sind vor allem Investitionen in Großvorhaben – also in den Anbau für Biosprit oder in Land-Grabbing-Projekte (großflächiger Landankauf durch internationale Monopole – Anm. der Red.), bei dem Nahrungsmittel oft noch für den Export produziert werden … Es könnte so kommen, dass in zehn Jahren in Entwicklungsländern infolge der Großinvestitionen zwar sehr viel mehr produziert werden wird, wir dort gleichzeitig aber mehr Hunger haben, weil die Menschen auf dem Lande kein ausreichendes Einkommen erwirtschaften können." ("Farnkfurter Rundschau", 12.10.09)
Die Explosion des Hungers in der Welt bei gleichzeitigen Rekordernten zeigt die Verfaultheit des kapitalistischen Weltsystems. "Sollte es nicht gelingen, die Nahrungsmittelpreise in den Griff zu bekommen, müssen wir 2009 mit Unruhen und Kämpfen für das tägliche Brot rechnen - und das in vielen Ländern der Erde", warnte unlängst Heribert Scharrenbroich, Vorsitzender der Hilfsorganisation "Care". Solche Hungerunruhen gab es bereits 2008 in vielen Ländern.
Ein Aufschwung der Befreiungskämpfe der Arbeiter und Völker gegen Hunger und Verelendung ist genau die richtige Schlussfolgerung aus dem Welthungerskandal! Die Ausplünderung der Welt durch eine Handvoll Monopole muss beendet werden. Nur wenn weltweit der echte Sozialismus erkämpft wird, die Nahrungsmittelproduktion und -verteilung nicht mehr vom kapitalistischen Profitgesetz diktiert wird, kann der Hunger auf der Welt verschwinden.