International

Automobilarbeiterratschlag eröffnet: "Sprechen wir über die Stärken, sprechen wir über unsere Schwächen, dann werden wir immer besser!"

16.10.09 - Mit einer bewegenden Vorstellung der internationalen Delegationen begann gestern Abend der 6. Internationale Automobilarbeiterratschlag. Bevor es damit los ging, begrüßte die Bürgermeisterin der Stadt Hannover, Ingrid Lange (Grüne), die rund 230 Teilnehmer. Sie machte darauf aufmerksam, dass die Integrierte Gesamtschule Mühlenberg als Tagungsort des Automobilarbeiterratschlags durchaus symbolhaft sei, weil auch deren Schülerschaft sehr international zusammen gesetzt sei, und betonte: "Ich finde es gut, dass sie hier zusammen gekommen sind, um gemeinsam etwas zu erreichen statt gegeneinander. Internationale Solidarität hat heute wieder so einen Wert wie damals, als diese Worte entstanden sind."

Rund 50 Teilnehmer aus 11 Ländern wurden nacheinander auf die Bühne gebeten und mit roten Nelken begrüßt: aus Russland, der Ukraine, Ungarn, Frankreich, Spanien, Österreich, USA, Südafrika, Venezuela, Brasilien und Mexiko. Weitere Teilnehmer aus den Niederlanden, Italien, Belgien und Kolumbien sind mittlerweile eingetroffen bzw. werden in den nächsten Tage noch erwartet. Mehrere von ihnen hatten selbst kulturelle Beiträge wie Lieder oder Gedichte mitgebracht und stellten kurz dar, warum sie am Ratschlag teilnehmen, was sie dazu beitragen wollen und von ihm erwarten.

Die größten Delegationen sind aus Frankreich und Spanien gekommen mit Vertretern der verschiedensten Automobil- und Zulieferkonzerne. In Frankreich wurde der Automobilarbeiterratschlag von einem eigenen Vorbereitungskomitee vorbereitet, in Spanien, aber auch anderen Ländern wie Brasilien und den Philippinen, haben kämpferische Gewerkschaften ihn zu ihrer Sache gemacht. So wollen die französischen Kollegen gemeinsam mit den anderen Teilnehmern Bilanz ziehen, "wie wir weiter gekommen sind in unserem Kampf gegen die Kapitalisten". Ein Delegierter aus Spanien brachte es so auf den Punkt: "Wir waren vor zwei Jahren zu fünft als Gäste hier, um euch kennen zu lernen. Jetzt sind wir zu fünfzehn hier und kommen, um unsere Erfahrungen mit euch zu teilen und auszutauschen, denn inzwischen sind wir Freunde geworden."

Begeistert meinte ein Teilnehmer aus den USA: "Es ist das erste Mal, dass ich hier bin, aber sicher nicht das letzte Mal. Ich war noch nie so stolz, ein Arbeiter zu sein wie in diesem Moment." Die Delegierten der kämpferischen Automobilarbeitergewerkschaft CONLUTAS aus Brasilien berichteten, dass sie soeben einen großen Streik der GM-Belegschaften für höhere Löhne siegreich beendet haben. Sie betonten, dass gerade in der Situation der Weltwirtschaftskrise, in der die Arbeiter und Angestellten weitweit verstärkt angegriffen und gegeneinander ausgespielt werden, die Bedeutung des Automobilarbeiterratschlags wächst. Ein Teilnehmer aus Venezuela ergänzte: "Wir haben uns gerade unterhalten und waren uns einig, dass wir stolz sein können auf das, was wir hier auf die Beine stellen. Es zeigt, welche Welt die Arbeiter zu gewinnen haben. Wir sind die Klasse, die etwas bewegen kann."

Begrüßt wurde der Automobilarbeiterratschlag auch von Heidrun Dittrich, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei aus Hannover, Dr. Matthias Miersch, Bundestagsabgeordneter der SPD aus Hannover, Reinhard Funk als Vertreter des Zentralkomitees der MLPD, Monika Gärtner-Engel, Stadträtin von "AUF Gelsenkirchen", Fritz Hofmann, Stadtrat des "Eisenacher Aufbruchs" sowie Dr. Dieter Stein, Vertreter des Umweltratschlags.

Mit der Hymne des Automobilarbeiterratschlags endete der erste Tag des Automobilarbeiterratschlags und begann auch der zweite Tag. Im Einleitungsbeitrag wurde unter anderem berichtet, wie die beiden auf dem letzten Automobilarbeiterratschlag beschlossenen Solidaritätschartas von VW und GM, in denen Vertreter aus zusammen 22 verschiedenen internationalen Standorten des VW- bzw. GM-Konzerns gegenseitige Verpflichtungen eingegangen sind, "nicht einfach ein Stück Papier" sind, sondern "materielle Gewalt ... in unserer immer besseren länder- und konzernüberschreitenden Zusammenarbeit" geworden sind. Das wurde auch konkret belegt:

"Die Kollegen von Ford in St. Petersburg haben bei ihrem großen Streik im Jahre 2007/2008 unmittelbar die Solidarität der Ford-Kollegen in Köln und Saarlouis in Deutschland gesucht und gefunden. Die Kollegen der im Frühjahr 2008 streikenden Belegschaften des US amerikanischen Autozulieferers American Axle wendeten sich direkt an die Führer des Streiks im Jahre 2004 im Opel-Werk in Bochum.

Eine Delegation von VW-Kollegen aus Hannover war auf Einladung der brasilianischen Teilnehmer des Automobilarbeiterratschlags in Brasilien, Kollegen aus Braunschweig und Stuttgart waren in Barcelona zu Besuch, Kollegen von Opel Bochum haben in Russland Automobilarbeiter besucht. Die Kollegen von Sao José in Brasilien haben die Initiative für einen landesweiten Aktionstag der Automobilarbeiter in Brasilien ergriffen und die Kampagnen für die Wiedereinstellung der entlassenen Kollegen bei Toyota Philippinen werden weltweit durchgeführt.

Bei Conti gab es am 23. April diesen Jahres hier in Hannover einen kämpferischen gemeinsamen Aktionstag der Conti-Kollegen aus Frankreich, Mexiko, aus Belgien und aus sechs deutschen Werken. Bei dem europaweiten GM-Aktionstag für Antwerpen im September 2009 kamen rund 5.000 Kollegen aus verschiedenen europäischen Ländern nach Antwerpen." (hier der vollständige Text des Einleitungsbeitrags als pdf-Dokument)

Im Mittelpunkt des zweiten Tags stand eine Reise zu den Automobilarbeitern der Welt. Sie war unterteilt in fünf Blöcke zu den verschiedenen Kontinenten bzw. Subkontinenten, an deren Anfang jeweils informative, auf die Besonderheiten dieser Regionen und ihrer wichtigsten Länder bezogene Berichte standen. In den anschließenden Diskussionen vor bis zu 300 Teilnehmern ging es um spannende Fragen: wie z.B. Niederlagen nach vorne gerichtet verarbeitet werden, auf welche härtere Unterdrückung die Automobilarbeiter sich einstellen müssen, wie es sie bereits in den Ländern Lateinamerikas, auf den Philippinen oder in Südkorea gibt, sowie um Vorschläge für die Weiterentwicklung der internationalen Koordinierung und Zusammenarbeit.

Über die Ergebnisse dieser spannenden Diskussion wird "rf-news" in den nächsten Tagen weiter berichten. Der Automobilarbeiterratschlag wird morgen mit Foren zu verschiedenen Themen, Beratungen und einem Internationalen Kulturfest weiter gehen und am Sonntag mit dem Abschlussplenum beendet werden (siehe www.automobilarbeiterratschlag.de). Kurzentschlossene sind weiterhin herzlich willkommen.