Politik
"Bürgergeld" - Mogelpackung zur Verschärfung von Hartz IV
12.10.09 - Noch im Sommer forderten verschiedene FDP-Politiker, wie unter anderem ihr Berliner Spitzenkandidat Martin Lindner, die Kürzung der ALG-II-Regelleistungen um 30 Prozent. Jetzt ging die FDP mit der demagogischen Forderung nach "Abschaffung von Hartz IV" in die Koalitionsverhandlungen. Doch aufgepasst: An dessen Stelle soll, wenn es nach FDP-Chef Guido Westerwelle geht, ein sogenanntes "Bürgergeld" treten. Schon 1994 wurde es von FDP und CDU in die Diskussion gebracht, angeblich als Modell zur "Erhöhung der Eigenverantwortung der Bürger".
Der Vorstoß für das "Bürgergeld" sieht vor, dass die bisherigen staatlichen Unterhaltsleistungen wie Arbeitslosengeld II einschließlich der Leistungen für Wohnen und Heizung, Sozialgeld, Grundsicherung im Alter, Sozialhilfe (ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen), Kinderzuschlag und Wohngeld pauschaliert und als Summe ausgezahlt werden. Für Alleinstehende würde ein Betrag von maximal 662 Euro ausbezahlt.
Das liegt zwar über dem gegenwärtigen ALG-II-Regelsatz von 351 Euro, läuft in Wirklichkeit aber auf einen "weiteren massiven Abbau zulasten sozial bedürftiger Menschen hinaus", wie es Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), formuliert. Denn das "Bürgergeld" ist aus folgenden Gründen eine Mogelpackung:
- Unterkunfts- und Heizkosten sind darin genauso enthalten wie Steuer- und Kindergeldansprüche sowie Unterstützungsleistungen zur Kranken- und Pflegeversicherung - letztere sollen lediglich "gegebenfalls berücksichtigt" werden.
- Bei Ablehnung einer zumutbaren Arbeit erfolgen Sanktionen in Form von Kürzungen bis zu 30 Prozent.
- Das Konstrukt der "Bedarfsgemeinschaften" soll weiter bestehen und die Ausspionierung der privaten Vermögens- und Lebensverhältnisse von Mitbewohnern und engen Verwandten noch verschärft werden.
- Über die Schaffung von sogenannten "Midijobs" (bis 600 Euro monatlich) würde der Niedriglohnsektor weiter ausgedehnt.
- Die bestehenden Tarife sollen nach unten geöffnet ("damit Arbeit mit geringer Wertschöpfung wieder nachgefragt wird")
- und der Kündigungsschutz massiv verschlechtert werden.
Von der CDU/CSU-Führung kommt dagegen - wie zu erwarten - kein prinzipieller Einwand. Für sie muss das "Bürgergeld" vor allem "finanzierbar" sein. Dass damit unter dem Strich staatliche Ausgaben in großem Umfang "eingespart" werden, ist aber auch ein Hauptargument der FDP-Führung.
Inzwischen prägen Internetkommentare von Hartz-IV-Empfängern zum Bürgergeld den Satz "Bürgergeld ist Würgergeld". "Schlimmer als Hartz IV", bezeichnet auch Marion Drögsler, Bundesvorsitzende des Arbeitslosenverbandes Deutschland (ALV) das "Bürgergeld" und Heidi Merk, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, spricht sich für massive Proteste gegen solche Pläne aus: "Wir können die Zustände nicht immer nur bedauern in diesem Land."
Eine erste hervorragende Gelegenheit für alle, die es damit ernst meinen, ist die bundesweite Demonstration gegen die Regierung am 24. Oktober in Berlin. Die Montagsdemonstrations-Bewegung, die dazu gemeinsam mit zahlreichen Unterzeichnern aufruft, sieht in Hartz IV allerdings kein "kleineres Übel" im Vergleich zum "Bürgergeld", sondern fordert nach wie vor: "Hartz IV muss weg - und das ohne Wenn und Aber!"