Politik
Regierungsmanöver "Hartz IV-Erleichterungen"
21.10.09 - Zu den in den Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und FDP "abgehakten" Punkten gehören einige "Erleichterungen" bei Hartz IV. Danach soll das so genannte Schonvermögen von 250 auf 750 Euro pro Lebensjahr erhöht werden, selbst genutztes Wohneigentum soll nicht mehr angerechnet und ein höherer Zuverdienst als bislang möglich gemacht werden. Damit seien die "größten Ungerechtigkeiten der Hartz-Reformen beseitigt", behaupten die Chefverhandler. Nur: Wer jetzt schon von Hartz IV betroffen ist, hat längst Lebensversicherungen und andere Formen der Alterssicherung auflösen müssen. Schon bislang wurden nur 0,2 Prozent aller Hartz-Anträge deshalb abgelehnt, weil die Betroffenen noch über ein zu hohes Vermögen verfügten. Die meisten Hartz-IV-Betroffenen lebten schon am Rande der Armut, bevor sie ihre Anträge stellten.
Noch nicht vom Tisch ist die FDP-Forderung nach einem "Bürgergeld", das angeblich die "Eigenverantwortung stärken" und die "Bürokratie vermindern" soll. Für Alleinstehende würde danach ein Betrag von höchstens 662 Euro ausgezahlt. Im Unterschied zum entsprechenden Hartz-IV-Regelsatz von 351 Euro müssten davon aber auch Miete und Heizkosten bestritten werden. Kindergeld, Leistungen aus der Kranken- oder Pflegeversicherung werden genauso angerechnet, die Schnüffelei gegenüber "Bedarfsgemeinschaften" usw. bleiben wie bei Hartz IV. Unterm Strich würde das "Bürgergeld" eine drastische Verschlechterung gegenüber Hartz IV darstellen.
Dabei reicht schon Hartz IV hinten und vorne nicht einmal für eine bescheidene Lebensweise. Das unterstreicht die gestern eröffnete Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht für eine Neuberechnung der Hartz-IV-Bezüge für Kinder. Mit den je nach Altersstufe 215 bis 287 Euro, die den 1,7 Millionen von Hartz IV betroffenen Kindern von der Regierung zugestanden werden, muss zwar in Deutschland kein Kind verhungern.
Aber ihre Ernährung ist oft schlechter, die Anschaffung von Schuhen oder gar eines Fahrrads sind mit so lächerlichen Beträgen angesetzt, dass sie zum unerreichbaren Luxus werden. Die Teilhabe an schulischen Veranstaltungen, eine Mitgliedschaft im Sportverein, Musikunterricht, Besuche im Schwimmbad oder Kino sind nicht vorgesehen. Die Kinder der armen Familien werden im reichen Deutschland auf vielfältige Weise sozial diskriminiert. Und das sind nicht nur die Kinder der Arbeitslosen.
Zu den Familien, die vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, gehört auch eine fünfköpfige Familie aus Dortmund, bei der sogar beide Eltern erwerbstätig sind, aber in der Altenpflege und als Teilzeitkraft so wenig verdienen, dass sie zusätzlich Hartz-IV beantragen mussten. Das wirft ein Schlaglicht darauf, dass es mit der Einführung von Hartz IV durch die Schröder/Fischer-Regierung nicht zuletzt um die flächendeckende Durchsetzung von Zwangsarbeit zu Niedrigstlöhnen ging und geht.
Wenn die angehende neue Bundesregierung meint, gerade bei Hartz IV ein bisschen Zuckerbrot verteilen zu müssen und nicht gleich mit weiteren Verschlechterungen auftrumpfen zu können, dann ist das in erster Linie eine Reaktion darauf, dass es wohl in Deutschland noch nie ein so umstrittenes Sozialgesetz gab wie Hartz IV. Dass dieses Gesetz nicht wie viele andere irgendwann zu den Akten gelegt und als gegeben hingenommen wurde - daran hat die Bewegung der Montagsdemonstrationen maßgeblichen Anteil.
Noch vor dem Inkrafttreten dieses arbeiter- und volksfeindlichen Gesetzes am 1. Januar 2005 entfaltete sich die Protestbewegung. Sie ging nach massivem Störfeuer zahlenmäßig zeitweise zurück, aber war und ist nicht klein zu kriegen mit montäglichen Demonstrationen und Kundgebungen in nahezu 100 Städten Deutschlands. Am kommenden Samstag kommen Montagsdemonstranten aus der ganzen Republik zu ihrer fünften Herbstdemonstration nach Berlin mit ihrer immer noch hochaktuellen Forderung: "Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir!"