Politik
Das "neue" Personal der schwarz-gelben Regierung - junge "Hoffnungsträger" und "recycelte" Altpolitiker
26.10.09 - "Namen, die aufhorchen lassen", entdeckt der Kommentator der "Bild"-Zeitung heute im neubesetzten Kabinett der Merkel/Westerwelle-Regierung. "Aufhorchen" lässt in der Tat, wie sich das bürgerliche Spitzenpersonal schon bisher seine Sporen verdiente und wie viele abgehalfterte Minister der alten Regierung mit neuem Ressortzuschnitt "recycelt" wurden. Allen voran der bisherige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Bis weit ins bürgerliche Lager machte er sich durch seine Scharfmacher-Rolle beim Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten verhasst. Eine denkbar schlechte Voraussetzung, um die von der neuen Regierung verkündete "Stärkung der Bürgerrechte" zu verkörpern und gleichzeitig weitere Maßnahmen zur Faschisierung des Staatsapparats durchzusetzen.
Auf seine langjährigen Erfahrungen als machtpolitischer Strippenzieher wollten offenbar weder die Bundeskanzlerin noch ihre Auftraggeber in den Konzernzentralen verzichten. Was läge da näher, als ihm den Schlüsselposten des Finanzministeriums anzuvertrauen? Auch dort wird in den nächsten Jahren einiges in enger Abstimmung mit den Monopolverbänden - ohne größere Empfindlichkeiten - "durchzupeitschen" sein.
Neuer Mann im Innenministerium wird der bisherige Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU). Er stammt aus einer Offiziersfamilie (sein Vater war von 1966 bis 1972 Generalinspekteur der Bundeswehr), hat aber gleichzeitig den Ruf, geschickter als Schäuble zu sein. Vor allem seine Karriere im Kanzleramt qualifiziert ihn, verlässlich und möglichst geschmeidig den weiteren Ausbau des staatlichen Gewaltapparats voranzutreiben.
Die als "Liberale" geltende FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger soll als Justizministerin gleichzeitig den Bürgerrechtsflügel der schwarz-gelben Massenbasis einbinden. Aus Protest gegen die "Gesetze zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität" - wie unter anderem den "Großen Lauschangriff" - legte sie 1996 ihr Ministeramt in der Kohl-Regierung nieder. Was aber soll daran "liberal" sein, in einer Situation in die Regierung einzutreten, in der die bürgerlich-demokratischen Rechte und Freiheiten in ganz anderem Maße abgebaut wurden und weiter eingeschränkt werden sollen?
Franz Josef Jung (CDU), als Verteidigungsminister und erfolgloser Rechtfertiger des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr reichlich verschlissen, darf sich nun als Arbeits- und Sozialminister versuchen. Seine Verdienste auf diesem Gebiet bestehen weitgehend darin, dass er mehrfach in CDU-Wahlprogrammen die Passagen zum Kapitel "Arbeit und Soziales" verfasst hat. Dabei plädierte er unter anderem vehement für die weitere Aufweichung des Kündigungsschutzes - ein Ansinnen, das andere CDU-Größen heute weit von sich weisen.
An seine Stelle tritt der bisherige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), zweifellos eloquenter und flexibler als Jung. Als Unteroffizier der Reserve im rechtslastigen Gebirgsjägerbataillon 233 weiß er zumindest, woher der Wind im deutschen Militarismus weht. Er will sich mit "aller Kraft" den "neuen Aufgaben für Politik und Streitkräfte" widmen, die aus der "globalen Sicherheitsstruktur" erwachsen. Es bleibt abzuwarten, wie es dem schneidigen Freiherrn und Nachwuchstalent gelingt, den Bundeswehreinsatz in Afghanistan gegen die Ablehnung von zuletzt 69 Prozent der Bevölkerung weiter auszuweiten.
Der zweite "Jungstar" in der neuen Regierung, Philip Rösler (FDP), soll wie schon Guttenberg als "unkonventioneller Hoffnungsträger" das Image der neuen Regierung aufpeppen. In den Koalitionsverhandlungen hat er schon mal als knallharter Vertreter einer weiteren Zerschlagung der paritätischen Beitragszahlung im Gesundheitswesen von sich reden gemacht. Das prädestiniert ihn geradezu zum Gesundheitsminister, da im Koalitionsvertrag auf diesem Gebiet die weitestgehendsten Angriffe vorgesehen sind.
Die Postenverteilung der neuen Bundesregierung steht ebenso wie ihr Regierungsprogramm für die Zwickmühle zwischen ihrer äußerst labilen Massenbasis, den grandiosen Wahlversprechungen und dem realen Krisenprogramm, das sie früher oder später durchzusetzen hat. Man kann davon ausgehen, dass der Verschleißfaktor auch der neuen Ministerriege dementsprechend hoch sein wird. Wirklich "neue Politiker" kann man in dieser Regierung lange suchen - die finden sich vielmehr in der kämpferischen Opposition und sind zuletzt bei der bundesweiten Demonstration gegen die neue Regierung in Berlin am 24. Oktober kompetent und überzeugend aufgetreten.