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Kündigungsschutz gerettet?

29.10.09 - Guido Westerwelle war zur Bundestagswahl mit der Forderung angetreten, den Kündigungsschutz weitgehend abzuschaffen. Nun ist im Koalitionsvertrag nicht mehr die Rede davon. "FDP setzt sich beim Kündigungsschutz nicht durch", lauten dazu die Schlagzeilen - als ob die CDU den Kündigungsschutz gerettet hätte. Das Thema ist brisant: Bei einer von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebenen Umfrage in der Woche der Koalitionsverhandlungen lehnten 80 Prozent die FDP-Forderungen entschieden ab, von den befragten Arbeitern waren es 96 Prozent. Fast ein Drittel aller Befragten (29 Prozent) forderten vielmehr schärfere Kündigungsschutzregelungen.

Die Monopole, die auf noch bessere Bedingungen für ihre Ausbeutungsoffensive drängen, sind sich bewusst darüber, dass mit dem Kündigungsschutz ein ganz heißes Eisen angepackt würde und sie damit massive Arbeiterkämpfe riskierten. So signalisierte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel an die Koalitionäre: "Für größere Betriebe ist das wichtig, aber nicht vorrangig. Die haben über die Zeitarbeit und andere Instrumente flexible Möglichkeiten." (Reuters, 3.10.09) Entsprechend haben Merkel und Westerwelle in ihren Koalitionsvereinbarungen Umwege für solche "flexiblen Möglichkeiten" eingeschlagen, um sich nicht gleich zu Beginn ihrer Regierungsperiode offen mit den Gewerkschaften und Arbeitern anzulegen. 

Einer dieser Umwege, ein Hebel zur weiteren Einschränkung des Kündigungsschutzes, ist im Koalitionsvertrag die Ausweitung der befristeten Beschäftigung. Demnach können Betriebe künftig einen Arbeiter oder Angestellten unbegrenzt hintereinander befristet beschäftigen, vorausgesetzt, zwischen den Verträgen liegt eine Wartezeit von einem Jahr. Bisher war eine befristete Beschäftigung auf maximal zwei Jahre begrenzt. Das Wiederholungsverbot, das eine abermalige befristete Anstellung bei ein und demselben Betrieb untersagt, wird jetzt gestrichen. 

Faktisch wird damit für die Betroffenen jeglicher Kündigungsschutz ausgehebelt, wenn sie in eine unendliche Schleife von immer neuen Befristungen geschickt werden können. Für Konzerne ist dafür die Karenzzeit von einem Jahr zwischen zwei Verträgen kein Hindernis. Sie haben Stellenpools oder firmeneigene Verleihgesellschaften, in denen sie die Befristeten mit immer neuen Verträgen von einem Werkteil in den anderen hin und her schieben können, immer mit der Drohung, sie jederzeit nach der Befristung ohne Kündigungsschutz zu entlassen. Bereits im Jahre 2006 war jede zweite Neueinstellung befristet und die jüngsten Erfahrungen in der Weltwirtschaftkrise zeigen, dass solche Beschäftigungsverhältnisse am schnellsten wieder mit der Arbeitslosigkeit enden.

DGB-Chef Sommer sagte zum Koalitionsvertrag, er sei "kein Grund für Freudentränen, sondern zum Heulen vor Enttäuschung". Mag sein, dass Michael Sommer etwas anderes erwartet hat - die Mehrheit der Bevölkerung tat dies jedenfalls nicht, sonst hätten sie dieser Koalition bei der Bundestagswahl nicht die Stimme verweigert. "Heulen vor Enttäuschung" wird auch sicher nicht der geeignete Weg sein, sich mit der volksfeindlichen Politik auseinanderzusetzen - die Belegschaften tun gut daran, ihre Kräfte zu sammeln und dieser Politik den Kampf anzusagen. Die Montagsdemo-Bewegung hat ja mit ihrer Demo am vergangenen Samstag in Berlin schon mal Zeichen gesetzt.