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Welchen Weg geht die evangelische Kirche mit Margot Käßmann?

01.11.09 - Am Mittwoch, dem 28. Oktober, wählte in Ulm die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit 132 von 141 Stimmen die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann zur Vorsitzenden des Rats der EKD. Sie tritt die Nachfolge des weniger beliebten Berliner Bischofs Wolfgang Huber an. Außer von besonders reaktionären Männern der katholischen (!) Kirche, die keine Frau und schon gar keine geschiedene Frau in einem Kirchenamt dulden wollen, erfährt diese Wahl sehr viel Zustimmung: aus den bürgerlichen Parteien, aus Kirchenkreisen, von Frauen, von religiös empfindenden Menschen – mit und ohne Kirchenzugehörigkeit -, aber auch von atheistisch eingestellten. In einem Internet-Forum "Applaus für Margot Käßmann" diskutieren Jugendliche kontrovers darüber, ob die erste Frau an der Spitze einer christlichen Kirche diese positiv verändern werde.

So schreibt die Initiative Kirche von unten (IKvu): "Margot Käßmann ist der IKvu seit vielen Jahren verbunden. Gerade bei den Themen Kirchenasyl, Ökumene oder auch sozial- und innenpolitischen Fragen hatten wir in ihr stets eine verlässliche Bündnispartnerin - sie wird diese Themen gezielt auf die Agenda setzen. Angesichts der Vorhaben der neuen Bundesregierung erwarten wir hier wichtige Impulse."

Zum andern hofft man in Kirchenkreisen, dass es mit der beliebten Theologin gelingt, wieder mehr Menschen und insbesondere Jugendliche an die Kirche zu binden. 2008 sind 160.000 Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten, 30.000 mehr als im Jahr zuvor. Die Kirchensteuereinnahmen gehen 2009 um fünf Prozent zurück.

In der Tat: Margot Käßmann ist eine starke Frau. Sie stammt aus einfachen Verhältnissen. Die Mutter der 1958 geborenen Hessin war Krankenschwester, der Vater Kfz-Schlosser. Sie studierte unter anderem in Tübingen und wurde 1989 in Bochum mit einer Arbeit zum Thema "Armut und Reichtum als Anfrage an die Kirche" promoviert. Sie arbeitete als Pfarrerin und Lehrbeauftragte und wurde 1994 zur Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags gewählt. Aus dem Zentralausschuss des Ökumenischen Rats der Kirche tritt sie 2002 aus Protest aus, weil der ÖRK keine ökumenischen Gottesdienste mehr abhalten will.

Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Predigtpreis des Verlags für deutsche Wirtschaft und dem Bundesverdienstkreuz. Unfreiwillige Schlagzeilen machte sie, als sie und ihr damaliger Mann, mit dem sie vier Töchter hat, sich 2007 nach 26 Jahren Ehe scheiden ließen. Das macht sie in den Augen vieler Leute, die von der reaktionären Doppelmoral der Kirchen genug haben, so "normal". Entschieden kritisierte sie den katholischen Papst wegen seiner Haltung zur Empfängnisverhütung, die noch nicht mal Kondome zur Verhütung von Aids "erlauben" will!

Margot Käßmann wird allerdings die gesellschaftliche Rolle der Kirche nicht verändern. Sie selbst sieht ihren Auftrag darin, den Einsatz für die sozialen Belange der Menschen, christlichen Glauben und Kirchenmitgliedschaft zusammen zu bringen: "Wir teilen die Bevölkerung auf in jene, die tatsächlich in die Kirchen kommen und mit denen wir dann singen und beten, und jene, die wir nur als Objekte unserer diakonischen Arbeit sehen, Pflegebedürftige, Kranke, Hartz-IV-Empfänger. Denen stehen wir mit Tafeln und Hilfe bei. Aber warum sagen wir ihnen nicht, dass wir uns sehr freuen würden, wenn wir mit ihnen Gottesdienst feiern könnten? Das will ich ändern. Diakonische, sozialpolitische Arbeit der Kirche muss eine Einladung zum Glauben sein."

Aber sie setzt sich ein gegen Frauenunterjochung weltweit, gegen die menschenverachtende EU-Flüchtlingspolitik, gegen Hartz IV und die Zerschlagung der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland, für ein NPD-Verbot. Was spricht dagegen, sie beim Wort zu nehmen? Wenn sich Frau Käßmann und Mitglieder der evangelischen Kirche an diesen Bewegungen beteiligen und z.B. auf den ökumenischen Kirchentag im Mai 2010 in München tragen, hat sie ihre Popularität durchaus im positiven Sinne genutzt!