Betrieb und Gewerkschaft

"Wir beugen uns der Schließung von Quelle nicht!"

"Wir beugen uns der Schließung von Quelle nicht!"
Kundgebung am 30. Oktober 2009 in Leipzig

Leipzig (Korrespondenz), 31.10.09: Im Laufe des Donnerstags, teilweise aber auch erst am Freitagvormittag, erfuhren knapp 2.000 Quelle-Kolleginnen und -Kollegen in Fürth, dass sie ab dem 1. November nicht mehr bei Quelle beschäftigt sind. Nicht mal ordentliche Kündigungsschreiben wurden ihnen überreicht, geschweige denn die notwendigen Unterlagen, damit sie sich bei der ARGE arbeitslos melden können. Manche erhielten einfach nur einen Telefonanruf, sie könnten zu Hause bleiben. Ein Vorgang, wie er für einen Konzernbetrieb in Deutschland bisher beispiellos ist. Auch wenn manche mit ihrem ganzen Arbeitsleben nichts anderes getan haben, als den Reichtum der Familie Schickedanz zu mehren und die Millionen-Abfindungen etlicher Manager zu erarbeiten, werden sie nun einfach brutal "abgewrackt".

Spontan haben die Kirchen in Fürth eine ökumenische Andacht angeboten, wo man laut Dekan Dittrich mit einem Zettel an einem Kreuz seinem Ärger, seiner Wut und seiner Enttäuschung Luft machen kann. Laut den "Fürther Nachrichten" warnt er allerdings auch vor Naivität: "Oben Gebet rein, unten kommt der neue Job raus, so einfach funktioniert das nicht."

Dass man mit Naivität nicht weiter kommt, dass wissen auch die Leipziger aus langjähriger Erfahrung mit Quelle/Primondo. Kurz entschlossen hatte daher der "Solidaritätskreis gegen Kündigungen bei Quelle" am gestrigen Freitag in der Nähe der Nicolaikirche in Leipzig zu einer Kundgebung aufgerufen unter dem Motto "Nein zum Stilllegungsbeschluss von Quelle - Kampf um jeden Arbeitsplatz". Gekommen waren einige ehemalige und noch beschäftigte Quelle-Kolleginnen und Kollegen, Verdi-Mitglieder und Montagsdemonstranten aus umliegenden Städten. Auch eine Kollegin von Opel Eisenach überbrachte eine Solidaritätserklärung des Betriebsrates.

Viele Quelle/Primondo-Kolleginnen mussten noch arbeiten. Das Betriebsverfassungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland erlaubt selbst in solch für die Kollegen existenzbedrohenden Situationen keinen Streik. Legal ist es, tausende von Arbeitsplätzen aus reinem Profitinteresse zu vernichten und die Beschäftigten wie den letzten Dreck zu behandeln. Wer jedoch in einer solchen Situation einen Streik organisiert, der wird kriminalisiert. Das muss sich ändern. Zu Recht forderte daher die von Quelle gekündigte Betriebsrätin Gudrun Kimmerle ein vollständiges und allseitiges gesetzliches Streikrecht.

Regina Höhne von Verdi berichtete, dass die Kolleginnen schon seit Jahren Lohnverluste hinnehmen, längere Arbeitszeiten in Kauf nahmen, alles mit dem Versprechen, dadurch Arbeitsplätze zu sichern. Das alles hat sich als Betrug entpuppt. Daraus müssen auch die noch beschäftigten Kollegen bei Karstadt ihre Lehren ziehen.

Klaus Fuchs, Vertreter der Landesleitung der MLPD Elbe-Saale betonte: "Diese Kundgebung in Leipzig, auch wenn sie heute klein ist, ist von Bedeutung weit über die Grenzen der Region hinaus. Weil sie stattfindet, im Gegenwind, gegen eine Stimmung, die suggeriert, dass man in einer solchen Situation gar nichts mehr tun könne. Mit dem Fortschreiten der Weltwirtschaftskrise sind dem Monopolkapital selbst Überbrückungsmaßnahmen wie Kurzarbeit zu teuer. Es wird so getan, als sei der Weg in die Arbeitslosigkeit ein unabwendbares Schicksal, als sei der Kapitalismus das höchste Gut der Menschheit, auch wenn die Lebensbedingungen der Menschen immer schlechter werden."

Tatsächlich ist diese Insolvenz Bestandteil eines einzigartigen Programms zur Stärkung der Deutschen Bank im Kampf um den Ausbau ihrer Positionen auf dem Weltmarkt. So hat sich die Deutsche Bank gerade diese Woche noch die Privatbank von Frau Schickedanz, SAL Oppenheimer, einverleibt. Natürlich behalten dabei alle Aktionäre ihre Anteile. Ganz im Gegensatz zur Insolvenz von Quelle, die allein hier in der Region zehntausende von Arbeitsplätzen vernichtet.

Wenn die Quelle-Beschäftigten ihre Arbeitsplätze verteidigen wollen, dann müssen sie sich für den Kampf entscheiden. Deshalb ist die Kundgebung ein Signal aufzustehen, gegen Lohnraub, gegen unzumutbare Arbeitsverhältnisse, gegen Erpressungsversuch mit Arbeitsplatzvernichtung, gegen Massenarmut und Zwangsarbeit per Gesetz. Es ist nicht so, dass die Bedingungen so schlecht sind, dass man nicht kämpfen kann.

Die Kollegen haben aber auch einen Trumpf in der Hand: Ab Sonntag früh um 6 Uhr soll der Ausverkauf der verbliebenen 18 Millionen  Lagerartikel stattfinden. Damit sollen natürlich vor allem die Regierungsdarlehen und die Banken bedient werden. Nicht ausstehende Lohnforderungen der Beschäftigten. Der Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg braucht dafür noch 1.100 Quelle-Beschäftigte und weitere 3.200 bei Callcentern und in der Logistik der Primondo-Gruppe.

Der Widerstand kommt also nicht zu spät. Es ist möglich den Weg der Arbeiteroffensive zu gehen:

  • Kampf um jeden Arbeits- und Ausbildungsplatz!
  • Für die Verteilung der Arbeit auf mehr Köpfe, also Kampf um die 30-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich!
  • Kampf für die Reduzierung der Lebensarbeitszeit ohne Verluste und das alles auf Kosten der Profite!

Die Auseinandersetzung bei Quelle ist für alle Arbeiter und Arbeiterinnen in Deutschland von besonderem Interesse. Mit Quelle wurde erstmals eine offene Massenentlassung gegen eine Konzernbelegschaft ausgesprochen. Eine Belegschaft, die relativ wenig kampferfahren ist. Damit soll auch ein Exempel statuiert und erprobt werden, wie weit die Monopole gehen können. Deshalb ist es von großer Bedeutung, die Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, damit sie in die Offensive gehen können. Die Stärkung der MLPD in allen Konzernbetrieben ist das beste Signal dafür, dem Testballon gleich die rote Karte zu zeigen.