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Opel: Der Kampf um den weiteren Weg der Belegschaft ist entbrannt

05.11.09 - Heute legten an allen Opel-Standorten in Deutschland die Beschäftiigten vorübergehend die Arbeit nieder: Es fanden Kundgebungen und teilweise Demonstrationen in Bochum mit ca. 3.000 Kollegen, in Eisenach mit 1.000, in Kaiserslautern mit 3.000 und in Rüsselsheim mit 10.000 Kollegen statt. Morgen sind in anderen europäischen Werken Aktionen geplant. Gestern, am Tag nach dem Beschluss, Opel zu behalten, forderte GM bereits einen "Beitrag für eine Sanierung" von den Beschäftigten: Die Fixkosten sollen um 30 Prozent gesenkt und 10.000 von 50.000 Arbeitsplätzen in Europa vernichtet werden - andernfalls gehe Opel in die Insolvenz. Die Schließung von drei Werken (gemeint sind Antwerpen/Belgien, Bochum und Eisenach) werde geprüft.

Die Kundgebungen zeigten eine große Wut und kämpferische Töne - aber auch Nachdenklichkeit bei den Opelanern, die seit einem Jahr mit immer neuen Meldungen, falschen Versprechungen usw. hingehalten wurden. Von rechten Betriebsratsvorsitzenden, Gewerkschaftsführern und den Regierungsvertretern ging das Signal aus: Jetzt alle zusammenhalten gegen den US-amerikanischen Konzern! Als seien mit einer Übernahme durch Magna die Interessen der Arbeiter vertreten gewesen - auch der vermeintliche Investor Magna wollte in Europa etwa 10.000 Arbeitsplätze vernichten!

Leute wie der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz, der noch vor zwei Tagen schmerzhafte Einschnitte für die Arbeiter mit Magna vereinbart hatte, bringen jetzt plötzlich kämpferische Töne! Das hat keinen anderen Zweck, als die Kollegen von dem notwendigen harten Kampf abzuhalten.

Gerade in Bochum haben die Kollegen reichlich Erfahrung mit Hinhaltetaktiken, aber auch mit mutigen, selbständigen Kämpfen und Aktionen gesammelt. Die "Berliner Zeitung" schreibt heute zu Bochum: "Die Betriebsrätin Annegret Gärtner-Leymann fordert nun eine harte Reaktion. 'Wir können nicht nur zwei Stunden lang die Arbeit niederlegen und dann wird alles gut', sagt sie mit Blick auf die sogenannten 'Informationsveranstaltungen'... Jetzt müssten alle Werke in Europa zusammenstehen. 'Wir werden um wirklich jeden Arbeitsplatz kämpfen', sagt die Betriebsrätin." 

Wohl in Erwartung kämpferischer Töne wurde heute in Bochum als einzigem Werk die Kundgebung in die Halle verlagert. Ein Korrespondent berichtet: "Bevor die Veranstaltung mit den offiziellen Reden begann, gab es von einer Gruppe kämpferischer Kollegen, unter anderem von der Betriebsrätin Gärtner-Leymann, dort Redebeiträge an einem offenen Mikrofon. Sie forderten dazu auf, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen, ein Kollege erinnerte an den selbständigen Streik 2004. An eine Lehrlingsgruppe gerichtet sagte er: 'Wenn wir kämpfen, kämpfen wir nicht nur für uns, sondern auch für euch'. Ein anderer betonte die Notwendigkeit der internationalen Arbeitereinheit. 

Dem stand die offizielle Kundgebung in weiten Teilen entgegen. Genau die gleichen Redner, die an selber Stelle noch im Juni die vermeintliche Rettung durch Magna feierten und ungefragt 'Zusagen' der Belegschaft in Millionenhöhe anboten, stießen heute auf eine tiefsitzende Skepsis der Kollegen. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers erhielt zumindest noch höflichen Beifall, als er den 'Turbokapitalismus' geiselte, 'der hier sein schreckliches Gesicht zeigt'. Die Kollegen wissen allerdings genau, welche Rolle Rüttgers in der Vergangenheit bei der Verhinderung von Arbeiterkämpfen gespielt hat, nicht zuletzt bei der Schließung des Nokia-Werks in Bochum vor anderthalb Jahren.

Betriebsratsvorsitzender Rainer Einenkel und der Bezirksleiter der IG Metall in NRW, Oliver Burkhard, demonstrierten 'Enttäuschung und Betroffenheit' über die Entscheidung von GM. Ihre Forderung, dass GM jetzt die ausstehenden Lohnerhöhungen von 4,2 Prozent umgehend auszahlen muss, war das mindeste, was die Kollegen heute von ihnen erwarteten.

Während Einenkel sich in Worten für Kampf und Solidarität aussprach, verstieg er sich gleichzeitig zu einem Angriff auf die konzernweite Kollegenzeitung 'Der Blitz', die in der Vergangenheit immer wieder Maßnahmen der Geschäftsleitung zur Vorbereitung von Streikbrecherarbeiten und zur Spaltung der europäischen Belegschaften aufdeckte und angriff - und internationale Solidarität und Kampfaktionen forderte und mit organisierte. In völliger Verdrehung der Realität warf er der Zeitung und den beteiligten Kollegen eine Spaltung der Belegschaft vor. Die wachsende kämpferische Richtung ist den Vertretern der Klassenzusammenarbeitspolitik offensichtlich äußert unangenehm."

Aus Rüsselsheim berichtet ein Korrespondent: "Mit Trommelgruppe und zig Trillerpfeifen von weitem hörbar, marschierte der Demo-Zug von K170/Fertigung zum Presswerk und der Lehrwerkstatt zum Kundgebungsplatz vor dem alten Opel-Hauptportal auf dem Rüsselsheimer Bahnhofsplatz. Vorneweg marschierten neben den Kollegen der Stammbelegschaft selbstbewusst die Leiharbeiterkollegen von SCR und die Azubis. Deren Transparent 'GM hat sich übernommen – jetzt übernehmen wir!' brachte eine offensive Haltung zum Ausdruck.

Es beteiligten sich 10.000 Kollegen und Rüsselsheimer an der Kundgebung. Die Reden-Dramaturgie zielte darauf ab, dem Unmut der Kollegen zwar Rechnung zu tragen, aber vor allem auf ein 'besonnenes Handeln, gestützt auf Politiker und Arbeitnehmervertretung' zu orientieren.  Entgegen der zuvor im Betrieb angekündigten anschließenden Demo durch die Stadt wurden die Kollegen gleich zurück ins Werk geschleust - vermutlich, damit die 'Besonnenheit' der Belegschaft keinen Schaden erleidet!"

Aus Eisenach berichten Korrespondenten: "Dort waren über 1.000 Kolleginnen und Kollegen am Tor 1, die Stimmung war empört: 'Wir bauen die Autos und nicht die', sagten Kollegen. Die MLPD war vor Ort mit einem Transparent: 'Wir sind solidarisch mit dem Kampf um jeden Arbeitsplatz!' Es gab auch Zwischenrufe bei der Kundgebung: 'Wir sind das Volk!'"

"Die Kollegen wissen, dass ein europaweiter selbständiger Kampf der GM-Kollegen sehr viel Härte und Durchhaltevermögen von ihnen verlangen wird. Aber sie wissen auch, dass sie in diesem Kampf die volle Solidarität aller Arbeiter und der breiten Bevölkerung haben werden", schließt die Korrespondenz aus Bochum.