Kultur

Der Freitod von Robert Enke bewegt die Menschen

12.11.09 - Der Freitod des Fußball-Nationaltorwarts Robert Enke geht vielen Menschen sehr nahe. Rund 35.000 beteiligten sich gestern Abend nach einem Trauergottesdienst an einem Gedenkzug durch das Zentrum von Hannover. Robert Enke hatte sich am Dienstagabend im Alter von 32 Jahren das Leben genommen. Mittlerweile ist bekannt, dass er seit Jahren an schweren Depressionen litt.

Viele bewegt die Frage, warum gerade er sich zu einem solchen Schritt entschieden hat: ein talentierter Fußballer, den seine Team-Kollegen als selbstlos und bescheiden beschreiben, der sich auch antifaschistisch und sozial engagierte sowie seinem Umfeld gegenüber stets aufgeschlossen und hilfsbereit war. Welche Rolle spielte dabei der rücksichtslose Umgang mit Menschen, ihrer Gesundheit und Psyche im Profisport, den auch Enke mehr als einmal zu spüren bekam? So wurde er zuerst als Nachwuchstalent hochgejubelt, um dann 2003 beim FC Barcelona aufs Abstellgleis geschoben zu werden. Der Beginn seiner depressiven Erkrankung fiel in diese Zeit.

Seine Frau bedauerte bei einer ebenso bewegenden wie mutigen Pressekonferenz unter anderem, dass ihr Mann seine Krankheit um jeden Preis verbergen wollte: "Er wollte seine Krankheit unter keinen Umständen in die Öffentlichkeit tragen, aus Angst, sein Privatleben und seinen Sport zu verlieren." Mit diesem Problem hatte nicht nur Robert Enke zu kämpfen. Viele der laut offiziellen Zahlen rund vier Millionen depressiv Erkrankten in Deutschland haben große Schwierigkeiten, damit richtig umzugehen, diese Krankheit nicht in sich hinein zu fressen, sich nicht von ihr beherrschen zu lassen.

Im Zusammenhang damit stehen weitere Fragen, die die Leute anlässlich Robert Enkes Tod beschäftigen: Warum nimmt die Zahl der depressiven Erkrankungen derart zu? Kann den Betroffenen nicht besser geholfen werden? Neben der heimtückischen Wirkung von immer mehr Umweltgiften auf das menschliche Gehirn sind es vor allem die zunehmende Fäulnis, Krisenhaftigkeit und Menschenfeindlichkeit des kapitalistischen Gesellschaftssystems, die die Menschen in eine regelrechte Zerreißprobe stürzen.

Umso mehr Respekt verdient das millionenfache Mitgefühl, das Robert Enke und seiner Familie entgegengebracht wird, aber auch der Mut seiner Frau, mit ihren Gefühlen und Gedanken an die Öffentlichkeit zu treten. Der solidarische, offene und zugleich respektvolle Umgang mit depressiven Erkrankungen ist sicher eine der wichtigsten Hilfen für die Betroffenen, auch wenn er den Kampf gegen ihre Ursachen natürlich nicht ersetzt.

Der Fall von Robert Enke hat eine breite Debatte entfacht. Dazu gehört zweifellos auch die Frage, dass ein Freitod weitreichende Folgen für Angehörige und andere Menschen hat, die nicht ausgeblendet werden dürfen. Umso wichtiger ist es, im Fall depressiver Erkrankungen auf medizinische Hilfe wie auch auf Solidarität und Offenheit für die vielfältigen Ursachen dieser Krankheit zu bauen und zu vertrauen.