Politik

Merkels Regierungserklärung: Wenn sie könnte, wie sie möchte ...

11.11.09 - In ihrer gestrigen Regierungserklärung offenbarte die alte und neue Bundeskanzlerin, Angela Merkel, das Dilemma, vor dem die Wunschregierung der Monopole steht. Hatten sie vor der Wahl noch ein baldiges Ende der Wirtschafts- und Finanzkrise versprochen, malte die Kanzlerin jetzt die Ausgangslage in einer angeblich "schonungslos nüchternen Analyse" in düsteren Farben. Man durchlaufe "die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik", die Arbeitslosigkeit werde steigen, "die Probleme werden erst noch größer, bevor es wieder besser gehen kann". Sie räumte sogar ein, dass ihr Regierungsprogramm, das auf eine baldige wirtschaftliche Belebung zugeschnitten ist, auch "scheitern" könne.

Die Weichen werden gestellt für tiefe Einschnitte in jahrzehntelange Gewohnheiten im Leben der breiten Massen - aber vor der Umsetzung schreckt Angela Merkel noch zurück und hantiert statt dessen mit Teilzugeständnissen. An den Steuererleichterungen will sie festhalten, der gigantischen Staatsverschuldung zum Trotz. Familien sollen "entlastet" werden mit einem höheren Kindergeld, einem gestiegenen Kinderfreibetrag und einem Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zuhause betreuen. Am meisten profitieren davon diejenigen, die schon jetzt mehr verdienen. Bei Hartz IV wird das Kindergeld, egal in welcher Höhe, angerechnet - die Kinderarmut wird also steigen, nicht zuletzt weil die Kommunen durch die Bundespolitik genötigt werden, Kindergartenbeiträge usw. herauf zu setzen.

Bei der Pflegeversicherung will die Kanzlerin - ähnlich wie mit der Riester-Rente bereits passiert - einen Zwang zur privaten Versicherung durchdrücken unter dem Stichwort einer "kapitalgedeckten Zusatzversicherung". Der von den Unternehmern zu zahlende Beitrag zur Krankenversicherung soll eingefroren werden - alle künftigen Steigerungen werden allein auf die Versicherten abgewälzt. Das nennt sich "Entkoppelung" der Sozialversicherungen von den Lohnkosten. Befristete Arbeitsverhältnisse will sie noch weiter ausbauen, Mindestlöhne werden abgelehnt, die Rente mit 67 sei "ein erster Schritt", sie wolle aber noch weitere "Veränderungen" in diese Richtung.

Die Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke beschönigt Merkel als "unverzichtbare Brückentechnologie". Zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan benutzt die Kanzlerin erstmals das Wort vom "Kampfeinsatz" und erfindet die Worthülse einer "neuen Phase zu einer Übergabestrategie in Verantwortung". Sprich: der Kriegseinsatz in Afghanistan soll weiter fortgesetzt und ausgedehnt werden - dem entschiedenen Nein der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung zum Trotz. Während die Richtung klar ist, die die Kanzlerin mit ihrer volksfeindlichen Politik einschlagen will, bleibt sie doch bemerkenswert vage, wann immer es um exakte Zahlen und Daten ging.

Angela Merkel und ihre Mitregierenden wissen, wie dünn die Zustimmung zu ihrer Regierungspolitik ist. Während die sprunghaft wachsende Staatsverschuldung und sinkende Steuereinnahmen den Spielraum für ihre Dämpfungspolitik weiter einengen, sammeln sich in den Betrieben und anderen gesellschaftlichen Bereichen wie bei den Bildungsprotesten, den Montagsdemonstrationen, im Kampf gegen die Atompolitik usw. neue Kräfte zum Kampf. Angela Merkels Regierungserklärung lässt sich auch so zusammenfassen: Sie steht bereit, die Lasten des bisher einmaligen Krisenmanagements auf die Massen abzuwälzen - aber sie kann nicht, wie sie will.