Politik
Dresdner Parteitag: Wie Sigmar Gabriel die SPD "recyceln" will
14.11.09 - Auf dem SPD-Parteitag in Dresden wurde Sigmar Gabriel mit großer Mehrheit zum neuen Vorsitzenden gewählt. Seit dem Amtsantritt von Björn Engholm im Jahr 1991 wurde im Schnitt alle zwei Jahre der SPD-Parteichef ausgewechselt - mit sich verkürzender Tendenz der Abstände. In dem "Bäumchen wechsel dich" an der Parteispitze spiegelt sich der tiefe Vertrauensverlust der SPD unter den Massen, insbesondere aber bei den Industriearbeitern, wieder. Auf dem Parteitag, der noch bis Sonntag geht, soll angeblich "ein Ansatz für den Beginn der Neuaufstellung" der Partei gefunden werden, wie es der scheidende Generalsekretär Hubertus Heil formulierte.
Nur jeder Fünfte glaubt laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des "Stern" allerdings, dass Sigmar Gabriel und die künftige Generalsekretärin Andrea Nahles die SPD aus ihrer Krise herausführen können. Nach elf Jahren Regierungsbeteiligung steht die Monopolpartei SPD vor einem Scherbenhaufen: die Zahl ihrer Wähler hat sich seit 1998 auf zehn Millionen halbiert, die neue Bundestagsfraktion ist um ein Drittel auf 146 Abgeordnete geschrumpft. Hunderttausende Mitglieder sind ausgetreten.
Ex-Kanzler Schröders "Agenda 2010" mit den Hartz-Gesetzen und weiteren massiven Einschnitten bei den sozialen Rechten und Errungenschaften der Bevölkerung sowie die Fortsetzung dieser Politik in der Großen Koalition zerbröselten das "soziale Antlitz" der SPD. Elf Jahre Regierungspartei als Geschäftsführerin der Monopolherrschaft haben die SPD für ihre Aufgabe, mit der Lebenslüge vom Sozialstaat die werktätigen Massen an den staatsmonopolistischen Kapitalismus zu binden, weitgehend untauglich gemacht.
Daran wird auch der Dresdner Parteitag der SPD wenig ändern. Denn die "erneuerte" SPD-Führung unter Sigmar Gabriel hat nicht wirklich vor, am Kurs der SPD etwas zu ändern. Das ist aufgrund ihres Charakters als Monopolpartei auch gar nicht möglich. Gabriel selbst ist Zögling und Gefolgsmann von Gerhard Schröder. Er hat als Umweltminister der Großen Koalition deren Monopolpolitik und insbesondere ihren scheinheiligen imperialistischen Ökologismus aktiv getragen.
Mit seiner wenig überraschenden "Analyse", die Partei befinde sich nach der Wahlniederlage in einem "katastrophalen Zustand", will er vor allem den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Aber nur, um schon mal zu relativieren: "Wir können doch jetzt nicht sagen, wir gehen zurück auf Los und tun so, als hätte es die Jahre 1998 bis 2009 nicht gegeben."
Nichts Substanzielles von der bisherigen SPD-Politik, sei es die Rechtfertigung von Hartz IV und der Rente mit 67 oder die Verteidigung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan, wurde auf dem Parteitag zurückgenommen. Die ganze "Aufarbeitung der Wahlniederlage" besteht letztlich darin - wie es der Leitantrag des Vorstands formuliert -, eine "politische Sprache" zu finden, um diese Politik besser zu "vermitteln" (siehe "rf-news"-Artikel vom 28.10.). Nicht zuletzt auch in der Hoffnung, als parlamentarische "Oppositions"-Kraft in den nächsten Jahren die Regierung mit "linken" Sprüchen kritisieren zu können.
Ob das bei der Masse der enttäuschten Anhänger verfangen wird, ist jedoch mehr als fraglich. "Traditionell war meine ganze Familie immer sozialdemokratisch. Nach 40 Jahren Mitgliedschaft haben meine Frau und ich dieser Partei den Rücken gekehrt und suchen nach einer tatsächlichen linken Politik. Wenn ein Herr Gabriel nun glaubt, dass alles vergessen gemacht werden könnte, irrt er sich. Wir hier unten leiden nicht an Altersdemenz", so bringt es ein Arbeiter aus Oberhausen gegenüber "rf-news" auf den Punkt.