Politik
Rebellische Schüler- und Studentenproteste mit zehntausenden Teilnehmern
17.11.09 - In mindestens 35 Städten gingen heute zehntausende Studenten und Schüler auf die Straße und leiteten damit Aktions- und Protesttage ein, die noch bis zum 10. Dezember andauern sollen. Die Aktionen in Deutschland sind Teil europaweiter Proteste gegen die unhaltbaren Zustände im Bildungswesen. Bereits Ende Oktober ergriffen in Österreich die Studierenden mit landesweiten Protesten und der Besetzung von Hörsälen die Initiative. Immer mehr Studenten in Deutschland nahmen sich daran in den letzten Tagen ein Vorbild, gingen auf die Straße und besetzten ebenfalls Hörsäle an insgesamt 50 Unis. Auch in den Universitätsstädten anderer europäischer Städte gibt es zahlreiche Protest- und Besetzungsaktionen.
Die heutigen Aktionen waren geprägt von meist gemeinsamen Demonstrationen von Schülern und jüngeren Studenten. Die Stimmung war angriffslustig und das von MLPD und REBELL an vielen Orten verteilte gemeinsame Flugblatt des "Rebell"-Magazins und der Zeitung der MLPD-Hochschulgruppen "Galileo" kam sehr gut an.
Aus Köln berichtete heute Vormittag ein Korrespondent: "Es sind hier schätzungsweise bis zu 5.000 Teilnehmer, sehr viele Schüler, sehr viele junge Teilnehmer, die trotz Dauerregen guter Stimmung und kämpferisch durch die Stadt ziehen. Hauptlosungen sind 'Bildung für alle – und zwar umsonst!' und 'Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!' REBELL und MLPD treten mit Fahnen auf, die Rebellen mitten in einem Pulk von Schülern. Das gemeinsame Flugblatt von Rebell-Magazin und 'Galileo', Zeitung der Hochschulgruppen der MLPD, wurde sehr gerne genommen."
Aus Düsseldorf heißt es: "Etwa 3.000 Schüler und Studenten demonstrierten heute um die Mittagszeit gegen die Bildungsbedingungen an Schulen und Hochschulen – zehnmal mehr, als die Veranstalter der Bezirksschülervertretung angemeldet hatten. Manchmal haben Lehrer und Rektoren Sympathie mit der Demo ausgedrückt und die Schüler quasi mit einem Augenzwinkern zur Demo gelassen. Manchmal versuchten Schulen aber auch, die Jugendlichen mit Verboten und Androhungen von der Demo fern zu halten. 'Deren Problem', meinten die Jugendlichen nur achselzuckend. Das Flugblatt von REBELL und 'Galileo' ging weg wie warme Semmeln. Die Jugendlichen nahmen ganze Bündel mit und verteilten selbst. Das Interesse am REBELL war groß, so dass eine ganze Reihe von Jugendlichen Kontaktwünsche äußerten."
Ein Korrespondent aus Freiburg berichtet: "4.000 bis 5.000 Teilnehmern hatte die große Demonstration heute. Gut 50 Prozent davon waren Schüler. Auch die IG Metall hatte zur Solidarität aufgerufen. In unseren Gesprächen drehte sich die Auseinandersetzung oft darum, dass es notwendig ist, über das System hinaus zu denken. Anschließend haben die Studenten das Audimax in Freiburg besetzt. Weitere Aktionen sind bereits geplant. Unter anderem wurde zur Teilnahme an der Demo am Samstag in Stuttgart aufgerufen."
Rund 1.000 Schüler und Studenten waren in Heidelberg auf der Straße. Auf Begeisterung stieß unter anderem das Grußwort eines Studentenvertreters aus Wien. Annähernd 10.000 Schüler und Studenten demonstrierten in München. Von dort wird berichtet: "Im Demozug marschierte der REBELL mit, unterstützt von der MLPD. Vom offenen Mikrofon aus wurden Parolen gerufen, aber auch Zukunftsfragen diskutiert. Rebellen nahmen Stellung zur Elitebildung und begründeten die Forderung nach einem einheitlichen Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Hochschule. Die verschiedenen Schulen wurden begrüßt, es waren Schüler von Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien, die sich über angedrohte Verweise hinweggesetzt hatten, um für die Bildung zu demonstrieren."
Trotz schlechtem Wetter demonstrierten heute auch in Wiesbaden bis zu 8.000 Schüler, Studenten und Lehrer gegen die aktuelle Bildungspolitik. In einem Kurzbericht heißt es: "Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte alle Lehrer und Lehrerinnen aus Hessen heute zum Streik aufgerufen. Sie fordert die Herabsetzung der Pflichtstundenzahl und die Einstellung von mehr ausgebildeten Lehrkräften. Schüler und Studenten schlossen sich innerhalb der internationalen Bildungsproteste der Demonstration an. Der Jugendverband REBELL beteiligte sich an den Protesten."
In Stuttgart gab es heute auch Proteste von Auszubildenden. Für 7.45 Uhr hatte die Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Bosch Feuerbach zu einem gemeinsamen Protestmarsch "für unbefristete Übernahme" mit anschließender Jugendversammlung im Werk aufgerufen. Die IGM-Jugend Baden-Württemberg unterstützt die Studentenproteste.
In Essen sprach unter anderem eine Vertreterin der IGM-Vertrauenskörperleitung von Opel in Bochum. Sie überbrachte die Grüße der Opelaner und bedankte sich zugleich für die Solidarität der Studierenden beim Opel-Streik im Oktober 2004 und hob die traditionell guten Verbindungen zwischen den Opelanern und den Studenten hervor. In Essen kam es zu einem empörenden Polizeieinsatz. Nach der Auflösung einer Demonstration wurden 154 Teilnehmer, darunter 35 Kinder, eingekesselt und längere Zeit festgehalten. Ein Teil von ihnen – ohne die Kinder - wurden anschließend mit ein bis zwei Bussen in die Kaserne der Bereitschaftspolizei in Essen-Rüttenscheid gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, gegen das Versammlungsrecht verstoßen zu haben, weil sie Anordnungen der Polizei zur Auflösung der Demonstration "keine Folge leisteten". Inzwischen wurden sie wieder freigelassen.
Julia Scheller von der Verbandsleitung des Jugendverbands REBELL erklärt zu diesem provozierenden Vorgehen der Polizei: "Ich protestiere ausdrücklich gegen das gewaltsame Vorgehen der Polizei bei der Schüler- und Studentendemonstration am heutigen Dienstag in Essen. Rund 3.000 Schüler und Studenten demonstrierten für eine bessere Bildung, gegen Elitebildung, Turbo-Abi, Kopfnoten usw. Sehr viele von den Schülern waren mit 12 und 13 Jahren ziemlich jung. Es ist genau richtig, auch schon in so jungen Jahren für seine Rechte, seine Zukunft auf die Straße zu gehen. Rebellion ist gerechtfertigt!
Über Zeitung und Fernsehen kann man im ganzen Land hören, wie sich die bürgerlichen Politiker beschweren über die heutige 'Null-Bock-Jugend', über die Politikverdrossenheit von Jugendlichen. Mit diesen Bildungsprotesten fangen viele Jugendliche an, sich zu politisieren, einen Standpunkt für ihre Zukunft einzunehmen und gehen dafür auf die Straße. Und dafür werden sie jetzt von der Polizei kriminalisiert. Das nehmen wir nicht hin! Wir werden den Ereignissen noch genauer auf den Grund gehen. Vor was haben die Herrschenden eigentlich Angst, wenn sie ohne irgendeinen Grund gegen Schüler- und Studentendemonstrationen, die Polizei massiv, in voller Kampfmontur mit Schlagstock, Kamera und mehreren Kastenwagen einsetzen?
Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden!
Für den Erhalt und die Erweiterung bürgerlich-demokratischer Rechte!"
(Weitere Berichte morgen und in der kommenden Druckausgabe der "Roten Fahne")