MLPD

"Die Kontokündigungen sind politisch motiviert und deshalb rechtswidrig"

Interview mit Rechtsanwalt Peter Weispfenning aus "Rote Fahne" 47/09

Welche Konten hat die Deutsche Bank eigentlich gekündigt?

Die Deutsche Bank kündigte mit Schreiben vom 12. 11. 2009 sämtliche sechs (Unter-)Konten der MLPD. Dabei handelt es sich um die Spendenkonten der MLPD, Konten der laufenden Geschäftstätigkeit, Konten zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen usw. Mysteriöserweise ging diese Kontokündigung – ohne auch nur das Wort „MLPD“ zu gebrauchen – an die Privatadresse des Parteivorsitzenden, Herrn Stefan Engel, bei dem sie am 14. 11. 2009 einging. Die MLPD unterhält diese Konten bereits seit 1983. Nach der Kündigung der Deutschen Bank würden diese etablierten Verbindungen zum 14. 1. 2010 vollständig wegfallen.

Welche Folgen hätte das?

Jedermann weiß, dass man heutzutage ohne entsprechende Kontoverbindungen weitestgehend von jeder Geschäftstätigkeit abgeschnitten ist. Alle wichtigen Verträge, geschäftliche Vereinbarungen usw. sind in Deutschland an die Existenz von (Giro-)Konten gebunden. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Stefan Steuer, erklärte bereits im Jahr 1998 ein Girokonto zur „conditio sine qua non (unerlässlichen Bedingung; Red. RF), um am Wirtschaftsleben … teilnehmen zu können.“ Dies gilt natürlich erst recht bei einer politischen Partei wie der MLPD, die zum Beispiel Löhne überweisen, Sozialversicherungsbeiträge abführen, Lieferantenrechnungen begleichen muss usw. Auch ein wichtiger Teil des Spendenzuflusses wird über Kontoverbindungen abgewickelt. In Deutschland sind Barspenden an politische Parteien über 1.000 Euro verboten, weshalb politische Parteien zwingend Bankkonten unterhalten müssen. Würde die Deutsche Bank mit dieser Kontokündigung durchkommen, so wäre die gesamte Geschäftsfähigkeit der MLPD in Frage gestellt.

Warum sind Sie sich so sicher, dass das politische Hintergründe hat?

Das ergibt sich schon daraus, wer eigentlich die Konten gekündigt hat. Die Kündigung erfolgte nicht durch die Filiale der Deutschen Bank in Essen, die eigentlich geschäftlich mit der MLPD zusammenarbeitet, sondern durch eine sogenannte „CRM direkt“ in Duisburg. Dazu habe ich mit der Sachbearbeiterin der Essener Filiale gesprochen. Sie wies darauf hin, dass bei einer „nicht absprachegemäßen Kontoführung“ natürlich die Filiale in Essen gekündigt hätte. Hier ginge es aber um einen „anderen Kündigungsgrund“ – welchen, das dürfte sie allerdings nicht sagen! Dazu muss man wissen, dass innerhalb der Deutschen Bank die „CRM direkt“ in Duisburg zuständig ist für alle politischen Kontokündigungen. Bei diesen Kündigungen wird sich regelmäßig hinter Nummer 19 Abs.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken („Banken-AGB“) zurückgezogen. So auch in diesem Fall. Danach kann eine Bank Girokonten „jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist“ kündigen.

Die Sachbearbeiter der „CRM direkt“ in Duisburg teilten mir aber auch mit, dass die Entscheidung über diese Kontokündigung direkt „in Frankfurt“ – also dem Sitz des Vorstands der Deutschen Bank – getroffen wurde. Man beachte also: Es gab selbst nach Aussage der Deutschen Bank keine „nicht absprachegemäße Kontoführung“. Dennoch erfolgte die Kündigung, und zwar unmittelbar auf Anweisung der Deutsche-Bank-Zentrale in Frankfurt.

Darf man denn einfach so ohne Begründung Girokonten kündigen?

Allgemein, ja, was skandalös genug ist. Aber: Besonders bei politischen Parteien ist eine willkürliche Kündigung nicht erlaubt. Hierzu stellt Professor Dr. Burkhard Böhmke in seinem grundlegenden Aufsatz „Kontenkündigung als Sittenverstoß“, JuS 2001, S. 444 ff. fest: „Zusammenfassend wird man daher sagen müssen, dass eine Kontenkündigung jedenfalls immer dann ein gemäß § 138 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit führenden Sittenverstoß darstellt, wenn die Bank allein aus dem Grund das Konto kündigt, weil die Partei angeblich verfassungsfeindliche, gegen unsere freiheitlich demokratische Gesellschaft gerichtete Ziele verfolge, denn damit verstößt die Bank gegen die durch die Artikel 21, 3 Abs. 1 Grundgesetz in Verfassungsrang erhobenen objektiv rechtlichen Wertentscheidungen der Parteienfreienheit und Chancengleichheit.“ Das gilt nach zutreffender Ansicht übrigens auch bei Konten, die von Privatbanken geführt sind.

Es gab doch 1986 bereits ein Urteil gegen die Deutsche Bank wegen Kündigung der MLPD-Konten?

Die Deutsche Bank hatte genau die gleiche (Haupt-)Kontoverbindung bereits einmal, und zwar am 25. 9. 1985, gekündigt. Das Landgericht Essen stellte am 7. 11. 1986 unter dem Aktenzeichen 1 S 87/86 fest, dass diese Kündigung „unwirksam ist“. Es urteilte, dass diese Kündigung „gegen das Willkürverbot“ verstößt; „sie verletzt wegen offenbarer Unbilligkeit die Grundsätze von § 242 BGB.“ Demnach dürfe eine Kontokündigung „jedenfalls nicht willkürlich (sein), sondern (müsse) von nachvollziehbaren Gründen getragen sein“. Demnach ist die jetzige Kündigung auch eine eklatante Missachtung dieses Urteils des Landgerichts Essen.

Nach Ihrer Ansicht ist das kein Aussetzer der Deutschen Bank, sondern ein zielgerichteter Boykott der Banken gegen die MLPD?

Ja sicher. Seit 2005 wird ein regelrechter Bankenboykott gegen den Vermögensverwaltungsverein der MLPD organisiert. Trotz bester Bonität wurden seitdem von mindestens sechs Banken Kredite verweigert. Kredite, die meist zunächst auf Sachbearbeiterebene ausdrücklich empfohlen worden waren – und erst danach von „höherer Ebene“ meist zum völligen Unverständnis der Sachbearbeiter oder Vermittler verweigert wurden – jeweils ohne offizielle Begründung. Nur die Sachbearbeiterin der Postbank erläuterte am 3. 11. 2009 treuherzig, es gebe da einen „Interessenkonflikt“, „wegen Sozialismus und so“. Natürlich erwartet niemand von der Postbank oder einer anderen Bank, dass sie für den Sozialismus eintritt. Erwartet werden darf aber ja wohl, dass sich deutsche Banken an Recht und Gesetz halten. Antikommunismus ist noch lange kein Grund für Rechtsbruch! Ein Bankenboykott ist in Deutschland als Konsequenz aus dem Hitlerfaschismus streng verboten. Mittlerweile wird der Boykott von neuen Krediten ausgeweitet auf die Kündigung bestehender Kontoverbindungen.

Welche Konten wurden denn noch gekündigt?

Mit Schreiben vom 12. 8. 2009 wurde auch ein von der MLPD Nürnberg genutztes Konto von der Commerzbank gekündigt. Zuvor wurde bereits am 5. 2. 2009 durch die Commerzbank ein Privatkonto von Stefan Engel und seiner Lebensgefährtin gleichfalls unter dem lapidaren Verweis auf Ziffer 19 Abs. 1 der Banken-AGB gekündigt. Auch diese Kündigung erfolgte auf direkte „Anweisung aus Frankfurt“, in diesem Fall durch die Commerzbank-Zentrale. Obwohl es um ein gemeinsam genutztes Konto von Stefan Engel und seiner Lebensgefährtin ging, wurde zunächst nur Stefan Engel gekündigt, was schon zur formalen Unwirksamkeit der Kündigung führte. Erst später wurde die Kündigung auch auf die Lebensgefährtin von Stefan Engel erstreckt. Gegen die Kündigung wurde am 14. 5. 2009 Klage erhoben.

Es ist besonders perfide, wenn ein politischer Boykott auch noch auf Personen ausgedehnt wird. Auch in diesem Fall gibt es keinerlei Einwände gegen die normalen Geschäftsbeziehungen. Der einzige Grund für die Kontokündigung liegt in der Weltanschauung von Stefan Engel.

Aber die Commerzbank behauptet doch, dass die Kündigung des Kontos von Stefan Engel völlig unpolitisch sei?

Das macht die Sache noch absurder. Die Commerzbank ist bis heute nicht in der Lage, irgendeinen Grund für die Kontokündigung anzuführen. Sie ließ aber durch ihre Anwälte im Juni 2009 erklären: „In der Folge versuchten die Kläger, ihre politischen Ansichten zu instrumentalisieren und einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und ihrer Parteizugehörigkeit zur Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) herzustellen … Bei der vorliegenden Kündigung handelt es sich um einen normalen geschäftlichen Vorgang …“. Nur – ist dieser Vorgang eben völlig unnormal und es gibt außer der parteipolitischen Richtung von Stefan Engel keinerlei Gründe für die Kontokündigung.

Offensichtlich wird aus Sorge vor der demokratischen Öffentlichkeit versucht, den tatsächlichen politischen Kern der Kündigungen zu vertuschen – genauso macht es die Deutsche Bank übrigens auch.

Ist es nicht auch merkwürdig, dass die Kündigung der MLPD-Konten bei der Deutschen Bank zunächst nur an Stefan Engel gerichtet war?

Das ist wirklich dubios. Stefan Engel unterhält bei der Deutschen Bank überhaupt keine Konten. Dort unterhält nur die MLPD als sogenannte juristische Person Konten. Stefan Engel ist lediglich einer von mehreren Zeichnungsberechtigten. Eine Sachbearbeiterin der Deutschen Bank, „CRM direkt“, erklärte mir gegenüber verwundert, dass man grundsätzlich immer den Kontoinhaber kündigt, nicht aber irgendwelche Zeichnungsbevollmächtigten oder Ähnliche. Deshalb hätte die Kündigung der MLPD-Konten auch gegenüber der MLPD erklärt werden müssen.

Mittlerweile behauptet die Deutsche Bank, sie habe ja zeitgleich allen Zeichnungsberechtigten des MLPD-Kontos gekündigt. Tatsächlich sind mittlerweile auch zwei weitere Kündigungen an andere Zeichnungsberechtigte gegangen – aber bis heute nicht an die MLPD selbst! Nur: Warum werden nur in der Kündigung an Stefan Engel sechs Konten aufgeführt, in allen weiteren Kündigungen gegenüber Zeichnungsberechtigten jeweils nur das Grundkonto? Warum wurde nur gegenüber Stefan Engel ein gar nicht bestehender Dispo-Kredit gekündigt, aber nicht gegenüber den anderen Zeichnungsberechtigten? Warum gingen die Schreiben an zwei weitere Zeichnungsberechtigte erst drei Tage nach dem Schreiben an Stefan Engel ein? Das ist völlig unnormal und untypisch und deutet darauf hin, dass hier ein Kesseltreiben gegen die Person des Parteivorsitzenden der MLPD geführt wird.

Sie sprachen von einer „grundsätzlichen Bedeutung“ dieser Auseinandersetzung?

Ja. Mit der gleichen „Begründung“ wie gegenüber der MLPD könnten künftig sämtliche linken Konten gekündigt werden, die Geschäftsfähigkeit aller fortschrittlichen Menschen untergraben werden usw. Deshalb sind diese Fälle auch von grundsätzlicher Bedeutung für alle Antifaschisten und Demokraten.

Wie gehen Sie jetzt weiter vor?

Wir werden der Deutschen Bank eine kurze Frist zur Rücknahme der Kontokündigung unter Verweis auf das Urteil des Landgerichts Essen setzen. Ansonsten ist jetzt natürlich der Prozess von Stefan Engel gegen die Commerzbank am 25. 11. 2009 vor dem Landgericht Essen, 10 Uhr, das Wichtigste.

Darf man eine Prognose für den anstehenden Prozess wagen? Nun ja, es gibt das bekannte Sprichwort: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Scherz beiseite: Es muss sich zeigen, wie es um die demokratischen Grundrechte in dieser Gesellschaft nach dem Regierungswechsel bestellt ist!

Vielen Dank für das Gespräch.