MLPD
"Ein Etappensieg im Prozess gegen die Commerzbank"
Interview aus "Rote Fahne" 49/09 mit Rechtsanwalt Peter Weispfenning zu den Ergebnissen des Prozesses vor dem Landgericht Essen am 24.11.2009
Bei Redaktionsschluss der letzten Ausgabe der Roten Fahne war das Ergebnis des Prozesses gegen die Commerzbank noch nicht bekannt. Was kam dabei heraus?
Das Landgericht Essen beschloss nach der Verhandlung am 24. 11. 2009, dass die Commerzbank die Gründe für die Kündigung des Kontos von Herrn Engel, dem Vorsitzenden der MLPD, und seiner Lebensgefährtin offen legen muss. Das Gericht will damit überprüfen, ob die Commerzbank mit der Kontokündigung gegen das „Willkürverbot“ verstoßen hat.
Die örtliche Presse bewertet das als „Teilerfolg für die MLPD“. Wie sehen Sie das?
So titelte die Gelsenkirchener WAZ am 25. 11. 2009. Ich würde aber von einem Etappensieg sprechen. Rechtlich bedeutet dieser Beschluss, dass unser Vorbringen als „erheblich“ angesehen wird. Auf „deutsch“ gesagt meint das Gericht offenbar: Wenn die Kontokündigung aus politischen Motiven erfolgte, dann war sie auch rechtswidrig und unsere Klage würde Erfolg haben. Und dass die Kündigung politisch motiviert ist, dazu haben wir eine schlüssige und allseitige Indizienkette vorgetragen. (Anm. der Red.: die letzten beiden Ausgaben der „Roten Fahne“ berichteten ausführlich darüber.) Damit ist die Taktik der Commerzbank, aber auch der Deutschen Bank bei der Kündigung der MLPD-Konten, gescheitert. Sie wollten auf der einen Seite die MLPD und Repräsentanten der MLPD gezielt an dem neuralgischen Punkt ihrer Geschäftsfähigkeit attackieren – und dies als völlig unpolitische Sache, als „ganz normalen Vorgang“ (O-Ton des Prozessvertreters der Commerzbank!) darstellen. Damit sollte eine breitere Solidarität und Medienberichterstattung unterlaufen werden. Dazu zog sich die Commerzbank – wie auch die Deutsche Bank – auf Ziffer 19 der Banken-AGB zurück, nach der die Banken „ohne Angabe von Gründen“ Girokonten kündigen dürfen. Darin sah die Commerzbank einen Freifahrschein, dass sie ohne Beachtung des aus dem Grundgesetz und dem bürgerlichen Gesetzbuch folgenden Willkürverbots und Boykottverbots machen kann, was sie will.
Offensichtlich ist den Bankenvorständen dabei ihre herausgehobene Stellung im politischen und gesellschaftlichen Establishment zu Kopf gestiegen. Immerhin gibt es in Deutschland aber noch demokratische Rechte, die eine schrankenlose Bankenwillkür untersagen.
Die Commerzbank setzte im Prozess darauf, dass wir natürlich den letzten Beweis für den politischen Charakter der Kündigung nicht erbringen können, weil wir schließlich keine Spione in der Commerzbank-Zentrale sitzen haben. Auf Grund unseres umfassenden Vortrags zu den Indizien für die politische Motivation wurde jetzt vom Landgericht Essen die Beweislast umgedreht. Demnach müsste jetzt die Commerzbank nachweisen, dass die Kündigung nicht aus politischen Motiven erfolgte.
War dieses Ergebnis denn nach dem Prozessverlauf zu erwarten?
Es schien eher so, dass man unseren Argumenten gegenüber nicht sonderlich zugänglich war. Andererseits erhielten der Kläger und auch wir als seine Rechtsbeistände ausführlich Gelegenheit, die Zusammenhänge allseitig, sachlich und engagiert darzulegen. Es gab in dem übervollen Gerichtssaal danach sicherlich niemanden mehr, der nicht genau wusste, was hier wirklich gespielt wird. Eine wichtige Unterstützung war natürlich die große öffentliche Beteiligung mit über 100 Prozessbesuchern. Auch die Berichterstattung mehrerer Zeitungen und Radiostationen, die zirka 60 Solidaritätserklärungen an meinen Mandanten trugen dazu bei, den tatsächlich politischen Charakter dieser Auseinandersetzung deutlich zu machen. All das hat offensichtlich eine positive Wirkung entfaltet.
Wie geht es jetzt weiter?
Jetzt muss sich die Commerzbank äußern – und zwar zur Sache. Will sie ernsthaft behaupten, es lägen keine politischen Gründe vor, wie es ihr Prozessvertreter im Termin vor dem Landgericht gesagt hat? Dann müsste sie aber auch andere Gründe vorbringen können. Und noch im Prozess hatte die Commerzbank ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es keinerlei Probleme in der eigentlichen Geschäftsbeziehung gegeben hat. Will es die Commerzbank wirklich darauf ankommen lassen, am Ende als Prozessbetrüger dazustehen? Äußert sie sich weiterhin nicht, verliert sie den Prozess. Oder will die Commerzbank allen Ernstes offen ihre politischen Motive ausbreiten? Vielleicht nimmt sie die Kündigung auch einfach zurück, um einer weiteren Blamage zu entgehen und zu hoffen, dass dadurch das öffentliche Interesse an dem Vorgang nachlassen würde. Wer weiß? Wir sind auch gespannt, was die Deutsche Bank tun wird, der wir bis Ende der Woche eine Frist zur Rücknahme der Kontokündigungen der MLPD gesetzt haben. Wenn diese fruchtlos verstreicht, wird auch hier Klage erhoben werden. Und hier liegt der politische Charakter des Bankenvorgehens noch stärker auf der Hand.
„Gegessen“ ist die Angelegenheit aber noch lange nicht. So ist der konkrete Hintergrund des Vorgehens der deutschen Großbanken gegen die MLPD und besonders die Person von Stefan Engel noch längst nicht erschöpfend geklärt. Was ist eigentlich der tiefere Hintergrund für das anscheinend koordinierte Vorgehen der Großbanken? Was ist eventuell an weiteren Maßnahmen zu erwarten? Ich gehe allerdings davon aus, dass das Interesse der Medien zunehmen und sich der Solidarisierungseffekt unter Demokraten verstärken kann. Auf jeden Fall geht der Krimi weiter!
Vielen Dank für das Gespräch.