Politik

Fünf Jahre Hartz IV - eine katastrophale Bilanz

03.01.10 - Vor fünf Jahren, am 1. Januar 2005, trat das so genannte "Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt", besser bekannt und verhasst als "Hartz IV", in Kraft. Es war ein Kernelement der "Agenda 2010" der Schröder/Fischer-Regierung - die breite Empörung und der Widerstand der Montagsdemobewegung dagegen brachten diese Regierung bei den Bundestagswahlen im gleichen Jahr zu Fall und liegen der tiefen Krise der SPD zugrunde. "Fünf Jahre nach dem Inkrafttreten von Hartz IV kann die Reform in ganzer Linie als gescheitert betrachtet werden", bilanziert der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband in einer aktuellen Studie.

"Die Vermittlung klappt nicht, es wurden weder reguläre Arbeitsplätze geschaffen, noch der Ausbau der öffentlichen Beschäftigung vorangetrieben. Dreiviertel aller Betroffenen verbleibt dauerhaft im Hartz-IV-Bezug. Die Anzahl der sogenannten 'Aufstocker' ist explodiert und liegt aktuell bei 1,3 Millionen erwerbstätigen Personen, deren Lohn zum Leben nicht reicht. Die Regelsätze, insbesondere für Kinder und Jugendliche, sind um bis zu 30 Prozent zu niedrig bemessen und reichen vorne und hinten nicht. Jeder dritte abgelehnte Widerspruch landet zur Klageerhebung vor dem Sozialgericht. In fast der Hälfte der Klagen wird den Klägern recht gegeben." Dieses Fazit zieht der Paritätische Wohlfahrtsverband. 

Jeder Betroffene weiß, dass Hartz IV Armut heißt. Der Regelsatz für Erwachsene liegt bei 359 Euro im Monat, für Kinder noch weit darunter. So erhalten Kinder zwischen 6 und 14 Jahren 251 Euro, das sind gerade mal ca. 8,30 Euro am Tag - für Essen, Kleidung, Bildung, Kultur, Freizeit usw. entschieden zu wenig! "Arme Kinder zahlen die Zeche für eine verfehlte Politik, die ihnen ihre Zukunft stiehlt", klagt der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, diese Zustände an.

Die vernichtenden Urteile vom Wohlfahrtsverband und dem Kinderhilfswerk hören sich anders an als die aktuelle Schönfärberei interessierter Leute wie Wolfgang Clement (ehemals SPD) oder Hubertus Heil, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender. Der argumentiert, die Arbeitslosigkeit sei durch die Hartz-Gesetze massiv gesenkt worden. Das ist reine Zweckpropaganda. Behauptet wird das unter anderem auch vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), einer Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit. Die Zahl der Hartz-IV-Empfänger sei von 5,4 Millionen 2006 auf 4,9 Millionen 2009 gesunken.

Statistische Trickserei und Halbwahrheit: Im September 2005 lag die Zahl der erwerbsfähigen Hartz-IV-Betroffenen bei 5.152.755, im April 2009 bei 4.933.034. Zurückzuführen ist dieser geringe Rückgang im Wesentlichen auf die wirtschaftliche Belebung bis 2008. Schon jetzt ist absehbar, dass durch verstärkte Massenentlassungen in diesem Jahr die Zahl der Hartz-IV-Betroffenen massiv steigen wird.

Wenn jetzt, wie vom Sachverständigenrat der Bundesregierung gefordert, der Regelsatz von Hartz IV noch um 30 Prozent gekürzt und gleichzeitig die "Zuverdienstmöglichkeit" erweitert werden soll, geht es darum, die Ausbeutungsschraube noch weiter anzuziehen in weitgehend rechtlosen Arbeitsverhältnissen. Das Ziel der Hartz-Gesetze war und ist nicht, wie von der Regierung behauptet, die Verringerung der Arbeitslosigkeit. Es geht in Wirklichkeit um die rechtliche Handhabe zur Verschärfung der Ausbeutung im Interesse der Monopole, um den Aufbau einer Millionen zählenden, billigen und rechtlosen Manövriermasse von Arbeitenden und Arbeitslosen.

Zwangsarbeit zu Niedrigstlöhnen per Gesetz, nichts anderes heißt Hartz IV. Das haben die Montagsdemobewegung und die MLPD von Anfang an gesagt! Diese Gesetze treffen Beschäftigte und Arbeitslose gleichermaßen - und diese müssen gemeinsam den aktiven Widerstand verbreitern. Die Montagsdemonstranten kämpfen entschieden seit über fünf Jahren gegen Hartz IV und die Bewegung wird in letzter Zeit wieder deutlich stärker.

Mit der Einführung der Hartz-Gesetze haben sich auch für die Erwerbstätigen dramatische Verschlechterungen entwickelt. So wurde die Zeitarbeit massiv ausgebaut, Niedrigstlöhne nahmen sprunghaft zu (daher die 1,3 Millionen, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können), auf die Spitze getrieben wird das durch den Zwang zu 1-Euro-Jobs; inzwischen gibt es über sechs Millionen Mini-Jobs, die Zumutbarkeitsregeln für die Arbeitsaufnahme wurden verschärft.

"Leiharbeit, Hartz IV und die Angst vor dem sozialen Abstieg wird bis heute dazu missbraucht, um die Beschäftigten zu Lohneinbußen zu drängen und ihnen schlechtere Arbeitsbedingungen aufzuzwingen", kritisiert Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand. Es ist zu begrüßen, wenn der DGB-Vorstand inzwischen zu einer realistischen Einschätzung der Hartz-Gesetze kommt. Es wäre auch höchste Zeit, dass die Gewerkschaftsführung endlich die Montagsdemo-Bewegung würdigt und sich dazu entschließt, zur Teilnahme aufzurufen!