Politik
Hartz-IV-Berechnung verfassungswidrig - der Kampf gegen das ganze Gesetz geht weiter
09.02.10 - Heute morgen verkündete das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass die Paragraphen 20 und 28 des Sozialgesetzbuches II (SGB II), die die Höhe des Arbeitslosengeldes II (ALG II) festlegen, mit der grundgesetzlich festgelegten "Menschenwürde und dem Sozialstaatprinzip nicht vereinbar" sind. Damit trägt das Gericht der Tatsache Rechnung, dass kein Gesetz der Nachkriegsgeschichte in der Bevölkerung auf solch breite Ablehnung stieß wie Hartz IV. Im Zentrum der unermüdlichen Aufklärungsarbeit darüber steht die bundesweite Montagsdemonstrations-Bewegung, die von Anfang an genau die Argumentation vertreten hat, der sich nach über fünf Jahren nun auch das höchste Gericht Deutschlands annähert.
Das heutige Urteil bringt auch die Merkel/Westerwelle-Regierung weiter in Bedrängnis. Dass selbst das Verfassungsgericht um bestimmte Zugeständnisse nicht mehr herum kommt, ändert jedoch nichts am grundsätzlichen Charakter des Gesetzes. Millionen Menschen haben den Richterspruch aus Karlsruhe auch in der Hoffnung auf eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze - besonders für Kinder - erwartet und Tausende rechneten schon mit Nachzahlungen für Leistungen, die ihnen seit fünf Jahren vorenthalten werden.
Dazu enthält das Urteil aber nur verschwommene Aussagen. So sei die Höhe des ALG II genauso wenig wie die des Existenzminimums aus dem Grundgesetz ableitbar. Beides sei auch "nicht evident unzureichend". Die Karlsruher Richter kritisieren vor allem, dass die Regelsätze für Kinder als Prozentanteile der Regelsätze für Erwachsene "freihändig gesetzt" worden seien, statt den tatsächlichen Bedarf der Kinder zu ermitteln.
Sie verpflichten die Regierung, dies bis Ende des Jahres "nachvollziehbarer" und "transparenter" zu tun als bisher. Es ist anzunehmen, dass dem Bundesverfassungsgericht bekannt ist, dass die Regierungspolitiker bereits seit zwei Jahren an einer Neuermittlung der Regelsätze nach der so genannten "Einkommens- und Verbrauchstichprobe 2008" arbeiten und dies mittlerweile vor dem Abschluss steht ("rf-news" berichtete).
Zum anderen mahnte das Gericht eine tatsächliche materielle Verbesserung auf dem Gebiet der Härtefälle an. Damit sind Geldleistungen der ARGEN und Job-Center an Betroffene gemeint - wie Fahrtkosten für die Familienzusammenführungen und außergewöhnliche Gesundheitskosten. Das ist natürlich zu begrüßen. Die Rede ist allerdings nicht von Sonderausgaben wie für den Ersatz einer defekten Waschmaschine usw., wie es dies in der Sozialhilfe vor Hartz IV gab.
Auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist und bleibt Hartz IV ein Gesetz, das Armut schafft. Der Kampf dagegen muss weiter gehen, bis es vollständig vom Tisch ist! "Um uns selber müssen wir uns selber kümmern" - in diesem Sinne werden die kommenden Montagsdemos ihre Schlussfolgerungen dafür ziehen.